Donnerstag, 27.09.2012 | 13:09 Uhr

Autor: Oliver Gassner

Eiswasserschwimmen und Zwillingsunfälle – Interview zu „Unter Wasser“ von und mit Chris Inken Soppa


Oliver: Hallo Chris, würdest du dich bitte den Bloglesern kurz vorstellen?

Chris: Hmmm, was sag ich da, über sich selbst reden ist immer das schwerste. Bin freie Autorin, lebe in Konstanz und im Juli ist mein zweiter Roman „Ring der Narren“ erschienen.

Oliver: Wir reden ja heute über den ersten, den zweiten hab ich hier im Blog schon rezensiert. aber vorweg: Hast du einen Zwillingsbruder und wenn ja, wie geht es ihm?

Chris: Nein, bin Einzelkind, wollte aber als Kind immer einen Zwilling haben … aber während des Schreibens von „Unter Wasser“ war Thomas Frederick Bennett tatsächlich mein Zwillingsbruder … im Geiste.

Oliver: Beide Romane haben ja starke Geschwister-Komponenten und sind Familiengeschichten. Und: In beiden deiner Romane spielen Männer die Hauptrolle, im neueren wechselt die Perspektive gelegentlich aber in „Unter Wasser“ ist die männliche Perspektive beibehalten. Warum die? Warum nicht die weibliche?

Chris: „Unter Wasser“ ist eine Art Bewusstseinskrimi, der Protagonist Thomas muss sich über seine desolate Situation in der Welt klar werden und die Gründe dafür suchen, und der Leser folgt ihm dabei. Eine zweite Perspektive wäre in diesem Fall überflüssig.

Oliver: In den 80ern wurde ja intensiv über männliches und weibliches Schreiben und deren unterschiedliche Weltsicht diskutiert. Wie siehst du das: Wirst du imaginärer Mann in den Texten oder gibt du den Männern in deinen Texten sozusagen ein weibliches Hirn?

Chris: Ich weiß nicht, ob es tatsächlich Unterschiede gibt zwischen dem Schreiben von Männern und Frauen. Autoren sollten sich in die verschiedensten Lebenssituationen und Charaktere hineinversetzen und sie dabei wahrhaftig wirken lassen können. Mein Protagonist hat aber tatsächlich etwas Androgynes, da er die verlorene Schwester in sich trägt. Er ist außerdem ein Fan von “The Cure”.

Oliver: Ich erzähle mal kurz den Inhalt: Beim Schwimmen im See verliebt sich Thomas in Sekunden in Nora, die ihn, nachdem er buchstäblich von einem Blitz im Wasser getroffen wird, rettet. Sie treffen sich und verlieben sich. Als ein Nebenbuhler zusammen mit Thomas im Wasser landet, ertrinkt der Nebenbuhler und Thomas ist sich nicht sicher, ob er ein Mörder oder Totschläger oder unschuldig ist. Die Polizei lässt ihn laufen, er entfremdet sich von Nora, sammelt, als er versucht, sich zu ertränken, zwei Landstreicher auf und schläft mit der Landstreicherin. Irgendwann wird deutlich, dass er für noch eine Wasserleiche verantwortlich ist und dass sie Ähnlichkeiten mit Nora hat und dass das Unterdrücken dieses Unfalls eventuell für seinen Hang zum Lügen verantwortlich ist. Statt eines Happy Ends geht Thomas als Lehrer für eine Weile nach St. Petersburg. Wars das so etwa, um nicht zu viel zu verraten?

Chris: Das mit der Wasserleiche hast Du schön gesagt!

Oliver: Du hast ja fast mehr Wasserleichen im Text als am Schluss Tote auf der Hamletbühne liegen. Ist Wasser eine Todeszone und die Idylle des Bodensees eine riesige Falle?

Chris: Kommt immer drauf an, was man aus der Idylle des Bodensees macht. Für Thomas ist die Gegend mit düsteren Erinnerungen versetzt, aber selbst als er sie verlässt, kommt er nicht vom Wasser los. Statt nach St. Petersburg hätte er sich ja auch in die Wüste von Nevada absetzen können, aber das macht er eben nicht …

Oliver: Du selbst schwimmst auch bei Minusgraden im See. Ist das nicht gefährlich? Mur sind ja schon 16 Grad zu kalt

Chris: Man sollte beim Ufer bleiben, es bisschen trainieren und vorher genau drauf achten, wie man sich fühlt, dann ist es auch nicht gefährlicher als im Sommer. Man kriegt großen Respekt vor dem Wasser, erlebt am eigenen Körper, wie schnell man auskühlt, wie wenig Zeit einem im Ernstfall bliebe.

Oliver: Gab es schon mal ne Situation, wo du sagtest: Das war knapp?

Chris: Nein, aber letztes Jahr im Februar, als es so kalt war, Du erinnerst Dich, Eisrand am See, Nordwind, das ganze Programm, da bin ich auch rein, und das Wasser hatte zwei Grad Plus. In diesem Moment kam es mir richtig warm vor. Das Schlimmste war tatsächlich, bei dem pfeifenden Wind wieder an Land zu gehen.

Oliver: Wir sollten vielleicht noch anmerken, dass, während im zweiten Roman der Bodensee oder Konstanz eher Staffagen sind, der erste massiv lokal verortet ist: Untersee, die Imperia und der Gondelhafen, Friedrichshafen, Meersburg oder Überlingen – ich bin mir grade unsicher. Walser hat wohl mal gesagt, alle große Weltliteratur sei Heimatliteratur. Was bedeutet dir dein Umfeld? Wo nimmst du die Motive in den Texten her. (Eine Fangfrage, teilweise, weil ich schon einiges dazu von Dir gehört habe )

Chris: Mein Umfeld ist mir sehr wichtig als Inspiration, und von extremeren selbst durchlebten Situationen profitiere ich natürlich beim Schreiben. Ich durfte beispielsweise als Kind mal bei einem kleinen Familienzirkus mitreisen, das hat mir gute Bilder gebracht für „Ring der Narren“. Und derzeit schreibe ich an einem Roman über eine Frau, die gern im Winter schwimmen geht …. Zufall?

Oliver: Wohl kaum. Gibt es von deiner Seite noch was, was du gerne zu dem Roman los werden willst? – Aber an sich steht ja alles zu Sagende im Buch, oder?

Chris: Lasst Euch nicht von der Schrulligkeit meines Protagonisten abschrecken! Solche Leute trifft man in der Realität nicht gern, dafür sind sie in Büchern umso interessanter.

Oliver: Danke für das Interview Gehst du heute Schwimmen?

Chris: Jaaaaa … aber bei 17 Grad Wassertemperatur treffe ich sicher noch ein paar Gleichgesinnte

Oliver: Viel Spaß.

Chris: Danke schön!

Autoren-Page von Chris Inken Soppa bei Facebook

***
Buchvorstellung: „Ring der Narren – Kostüm und Offenbarung“
Die Autorin Chris Inken Soppa stellt ihren neuen Roman vor.
Gewölbekeller im Kulturzentrum am Münster, Wessenbergstraße 43 in 78462 Konstanz
Kartenreservierung beim Kulturbüro Konstanz: 07531 – 900 900
Eintritt: 6/5 Euro
Mehr Info unter: http://www.facebook.com/events/356210274467430/

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