Donnerstag, 19.07.2007 | 20:08 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Alles andere als schön sind die Verhältnisse in Edward St Aubyns „Schöne Verhältnisse“, das im englischen Original bereits 1992 unter dem Titel „Never Mind“ erschien. Der Roman berichtet vom Leben der Familie Melrose in einer Villa in Südfrankreich. Und dieses Leben ist, obgleich frei von finanziellen Nöten, eine Hölle – zumindest für den fünfjährigen Patrick und seine alkoholkranke Mutter Eleanor, die beide unter dem bösartigen und sadistischen Hausherrn David leiden. Um nur die harmlosesten Beispiele zu nennen: Als sein Sohn schreit, weil er die Treppe hinuntergefallen ist, dreht David in seinem Zimmer den Wasserhahn auf, um das Geräusch nicht hören zu müssen. Als Eleanor bemerkt, es sei eine Schande, dass die vom Baum gefallenen Feigen auf der Terrasse vergammeln, befiehlt er ihr, die faulenden Früchte vom Boden zu essen. Auch sonst nutzt David jede sich bietende Gelegenheit, andere zu demütigen oder seine menschenverachtenden Ansichten zum besten zu geben. Über Beerdigungen sagt er etwa sinngemäß: „Zwischen Beerdigung und Trauerfeier verstreicht in der Regel so viel Zeit, dass diese einem zeigt, wie leicht es sich ohne den Verstorbenen leben lässt.“ Doch es kommt noch schlimmer …
Zum Dunstkreis der Familie gehört eine Anzahl von Verwandten und Freunden, die zumeist kaum besser sind. Die geschliffenen Dialoge zwischen ihnen gehören zu den stilistischen Glanzstücken dieses Buches.
Auf die Frage, ob all das autobiographisch sei, hat Edward St Aubyn (geboren 1960) schlicht mit „Ja“ geantwortet. Er selbst wuchs als Sprössling des englischen Hochadels zum Teil in Südfrankreich auf.
Die Lektüre – das lässt sich denken – ist kein reines Vergnügen. Das Dargestellte ist zu trostlos und zu entsetzlich. Kein noch so winziger Hoffnungsschimmer zeigt sich am Horizont. Und doch ist „Schöne Verhältnisse“ ein starkes Stück Literatur: stilistisch ausgefeilt, in der Handlung dicht und ohne Längen – ein Buch, das die Gesellschafts-Verhältnisse der Reichen brillant aufs Korn nimmt. Lesenswert!
Bereits im August 2007 erscheint Band 2 der Melrose-Trilogie, „Schlechte Neuigkeiten“. In der Vorankündigung dazu heißt es über Patrick: „Der mittlerweile 21-Jährige fliegt mit sehr gemischten Gefühlen nach New York, um die Asche seines Vaters zu überführen. Als er schließlich dessen sterbliche Überreste in einer braunen Papiertüte die Madison Avenue entlang trägt, fällt ihm auf, dass dies die angenehmsten zehn Minuten sind, die er je in Gesellschaft seines Vaters verbracht hat.“
Edward St Aubyn: Schöne Verhältnisse.
DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln, März 2007.
180 Seiten, Hardcover.
Tags: Edward St Aubyn Schöne Verhältnisse Autobiographie
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31.10.2007 um 14:49 Uhr
ein ganz tolles buch, ich kann es wirklich nur jedem empfehlen, der mal -etwas anderes- lesen möchte…auch der 2 teile war prima man kann sich richtig vorstellung, wie david den drogen verfällte! ich warte dringend auf den 3. teil und kann leider nirgends enddecken, wann der denn erscheint!