Sonntag, 20.10.2013 | 20:30 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Der Banküberfall von zwei wenig intelligenten Kleinkriminellen eskalierte 1988 zum so genannten „Gladbecker Geiseldrama“. Und weil das genau 25 Jahre her ist, stand wohl zu befürchten, dass die in vielerlei Hinsicht unschöne Geschichte in diesem Jahr auf die eine oder andere Weise aufgewärmt wird.
Unschön deshalb, weil zwei Menschen starben, die Polizei haarsträubende Fehler beging und die Medien ihre schwärzesten Stunden erlebten. Der Autor Peter Henning beteiligt sich mit seinem 600-Seiten-Wälzer „Ein deutscher Sommer“ an dem gruseligen Jubiläum. Zur Erinnerung: Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski überfallen am 16. August 1988 eine Bank in Gladbeck. Sie nehmen mehrere Geiseln und fliehen mit ihnen quer durch die Republik. Erst zwei Tage später stellt die Polizei die Täter auf der A3. Bei einem abschließenden Feuergefecht stirbt die 18-jährige Geisel Silke Bischoff.
Während der Flucht hat Degowski zuvor den 15-jährigen Italiener Emanuele De Giorgi in einem entführten Linienbus erschossen. Was den Fall so besonders macht, ist die permanente Anwesenheit der Journalisten. Sie fahren im Fluchtauto mit und führen Interviews mit den Gangstern, während die die Geiseln mit der Waffe bedrohen. Das führte anschließend zu einer Ethik-
Wie kann man über diesen Fall 600 Seiten schreiben, könnte man fragen. Peter Henning tut das, indem er einige Figuren erfindet, die im weitesten Sinne etwas mit dem Fall zu tun hatten: eine labile Taxi-Fahrerin, auf deren Wagen einer der Gangster schießt, den Fahrer des entführten Busses, einen Polizisten, der sich über die Unfähigkeit seiner Kollegen ärgert, zwei Sensations-Journalisten und noch einige mehr.
Das Konzept geht nicht auf: Henning verheddert sich in unwichtigen Details, kommt vom Kleinen ins Kleinste und immer Kleinere und produziert damit vor allem eins: Langeweile. Die Figuren wirken wie am Reißbrett entworfen, aber nicht lebensecht. Alles wirkt flach und banal, so etwas wie Tiefgang kommt nicht auf, auch wenn sich Henning nach Kräften darum bemüht. Die vielen puzzleartig aneinandergereihten Leben bilden am Ende kein geschlossenes Ganzes. Ihr Bezug zum Gladbecker Geiseldrama ist oft mehr als nur dürftig.
Stilistisch ist „Ein deutscher Sommer“ eine mittlere Katastrophe: Hölzern wirkende Bandwurmsätze mit vielen Beamtendeutsch-Ausdrücken reihen sich aneinander. Kein gutes Buch.
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Peter Henning: Ein deutscher Sommer.
Aufbau, Juli 2013.
608 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,99 Euro.
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20.10.2013 um 21:39 Uhr
Dann hatte es ja doch was gutes, oder? Wenn wir jetzt endlich eine Ethik haben.
24.10.2013 um 15:06 Uhr
Hm, ja, Ethik? Was hat da wohl das Rechtschreibprogramm angestellt? Ah, Ethikdebatte wohl.