Samstag, 18.06.2011 | 21:09 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Rau, intensiv und spannend – das ist der Roman des 64-jährigen australischen Autors Peter Temple mit dem Titel „Wahrheit“.
Weil Hauptfigur Stephen Villani Kriminalinspektor ist und es um die Aufklärung mehrerer Mordfälle geht, muss man dieses Buch wohl in das Genre Krimi einordnen. Tatsächlich aber ist „Wahrheit“ viel mehr: das punktgenaue Psychogramm eines Mannes in seinen mittleren Jahren, der an den vielen Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg stellen, zu zerbrechen droht. Da sind die Vorgesetzten Villanis, die – auch unter dem Druck der Presse – Erfolge verlangen. Da ist seine Ehe, die vor dem Ende steht, und da ist die 15-jährige drogenabhängige Tochter, die nichts mehr von ihrem Vater wissen will. Und sogar das Schönste, was Stephen Villani besitzt, ein Wald aus Eichen, den er als Jugendlicher gemeinsam mit seinem Vater gepflanzt hat, droht durch einen unkontrollierbaren Waldbrand vernichtet zu werden.
Peter Temple zieht den Leser derart tief in seine Geschichte, dass man beim Umblättern der Seiten meint, die Hitze des Waldbrandes zu spüren, den Gestank an einem Tatort zu riechen und die Niedergeschlagenheit der Polizisten beim Erledigen ihres Jobs selbst zu erleben. Stilistisch ist dieses Buch geradezu herausragend. Die Dialoge in einer sehr direkten, oft nahezu brutal wirkenden Sprache scheinen 1:1 aus dem Büro einer Polizeidienststelle übernommen zu sein. Gerade vor dem Hintergrund der vielen Erzeugnisse stilistisch schlimmster Machart, die ansonsten im Krimi-/Thriller-Genre auf den Markt geworfen werden, ist dieses Buch gar nicht hoch genug zu bewerten.
Kleiner Kritikpunkt: Die reine Handlung um die aufzuklärenden Mordfälle ist arg kompliziert und erfordert vom Leser ein hohes Maß an Konzentration. Zudem kommt eine Vielzahl von verschiedenen Figuren vor, die man sich nur schwer alle merken kann. Dennoch insgesamt unbedingt zu empfehlen.
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Peter Temple: Wahrheit.
Bertelsmann, März 2011.
480 Seiten, Gebundene Ausgabe, 21,99 Euro.
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