Sonntag, 13.01.2008 | 12:56 Uhr

Autor: molosovsky

Neal Stephenson: Der »Barock-Zyklus«, oder: »It’s the economy, stupid«, neben, ach, so vielen anderen Dingen

Hinweis: Um die Fußnoten lesen zu können, klicken Sie bitte unten auf ›Rest des Eintrages lesen‹.

Die Zwickmühle ist erstmal, wie ich einen Autoren und sein neuestes Großwerk beschreiben soll, zu dem ich als Leser mit schon fast ehrfürchtigem Staunen aufblicke? Oder für alle, denen das zu weihrauchrig klingt: Was kann ich Stubenhockerdolm schon groß Kluges über so ein exorbitant reichhaltiges, vielstrangig- und gestaltig ausuferndes, klug und exzessiv recherchiertes, tolldreist-spekulierenden Firlefanz verbreitendes, entwaffnend facettenreich inspirierendes Ideengroßpanoptikum schreiben? Noch dazu, wenn es wahrscheinlich ist, dass empört oder zweiflend Einspruch erhoben wird aus Gründen der Genrereinheit , da der Barock-Zyklus strenggenommen ja ein historischer Roman und keine Fantasy ist. — Bitte, seid mal nicht sooo streng mit den Grenzkontrollen und laßt Euch davon beschwichtigen, dass es keine verrenkte Sichthaltung braucht, um manch enge verwandschaftliche Bande zwischen Historien- und Genre-Phantastik erkennen zu können.


Neal Stephenson (*1959) läßt sich locker einer Autorengruppe zusprechen, die sich eben herzlich wenig um das Eiteitei von Genregrenzen schert, und der (grad deshalb?) außerordentlich frische und kraftvolle Phantastik gelingt. Aufgrund meiner gehegten Schwäche für diese Grenzüberflieger empfiehlt sich mir Stephenson als einer der reizvollsten zeitgenössischen Fabulatoren. Auf meiner Lektürekarte liegt ›Mount Stephenson‹ an einem Lauf des schillernden Flußgeaders, von dessen Ufern auch Meta-Phantasten wie Umberto Eco, Matt Ruff, Michael Chabon oder Lawrence Norfolk ihre Romanschiffchen auf den Weg schicken[01]. Als jemand, der stets auch schon mit der Romanform selbst spielt und diese auszureizen trachtet, macht Stephenson auch im Vergleich mit solchen regelmäßig außer Rand und Band geratenden US-Romanciers wie Thomas Pynchon[02] oder T.C. Boyle eine gute Figur. Stephensons Romane eignen sich vorzüglich dazu, gedankenknoblerische Probleme zu bereiten[03], oder sich zu 1001 ertragreichen Recherechespaziergängen in Sachbuchgefilden anregen zu lassen.

Der »Barock-Zyklus« ist keine Trio, auch wenn der Handhabe wegen seine acht Einzelbücher in drei Bänden erschienen. Band 1 »QUICKSILVER« beginnt mit Buch 1 »Quicksilver«, widmet sich vornehmlich dem brodelndem Kessel der Vergangenheit. In der Gegenwartshandlung kommt Enoch Root, ein unsterbliche Alchemistenmeister, 1713 in die neue Welt nach Bosten, um dem alten (Ex-)Puritanier Daniel Waterhouse den Auftrag einer Prinzessin zu überbringen: Daniel soll nichts weniger, als den weltbilderschütternden Magier- äh Gelehrtenstreit zwischen Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz schlichten. Daniel regelt seine Familienangelehenheiten und bricht mit dem Schiff ›Minerva‹ nach Europa auf, und Stephenson versteht es meisterhaft, uns eine langwierige jedoch äußerst fingernägelgefährende maritime Verfolgungsjagd zu liefern, denn im Auftrag obskurantistischer europäischer Mächte will der für seine Grausamkeit berüchtigte Pirat Blackbeard Daniel aufhalten[04]. Vermengt damit wird dem Leser in längeren Rückblicken auf den Zeitraum von 1655 bis 1673 der Werdegang Daniels geboten. Abwechslungsreich wird davon erzählt, wie der Sohn eines radikal-fundamentalistischen Predigers als Jugendlicher zum Busenfreund des (im unheimlichen Sinne) engelsgleichen Newton wird; wie er sich mit diesem zusammen für die Naturphilosophie begeistert und Isaac z.B. bei schweißtreibenden Augenexperimenten behilflich ist. Überhaupt: die Einblicke in die Kindertage der Royal Society bieten haarsträubende und nervenaufreibende Passagen, weniger, wenn Isaac Sonnenuhrenschatten beobachtet, schon eher, wenn Robert Hooke durchs Mikroskop guckt, aber getollschockt hat mich dann doch, wie eine Handvoll Naturphilosophen Hunde bei lebendigem Leib sezieren. Über den gemeinsamen Mentor in Sachen symbolische Logik[05], den einzigartigen Bischof Wilkins[06], lernt Daniel auch Leibniz (›Das Monster‹) kennen und schätzen[07]. Daniel macht seine ersten wackeligen Schritte als politischer Hinter den Kulissen-Spieler im Ringen um Englands Verfassung in Sachen Religion und Thronfolge. Zudem gilt es den ersten Sabotageplott aufzudecken.

Szenenwechsel und zurückgesprungen in der Zeit bis 1665, stellt Buch 2 »König der Landstreicher« die zweite männliche Hauptfigur vor, Jack Shaftoe, der mit seinen Brüdern aus der Gosse Londons stammt. Als kleine Buben verdienen die Shaftoes ihr erstes Geld damit, unachtsame Freier zu beklauen, und sich als Gewichte an die Beine von Galgenvögeln zu hängen[08]. Kleiner Zeitsprung vorwärts und wir begleiten Jack als jungen Twen auf dem Weg zum Krieg gegen die Wien belagernden Türken. Die ca. 20 Seiten mit Jacks chaotischer Jagd eines Straußenvogels quer durch das türkische Lager und wie er die Haremssklavin Eliza mitten im Schlachtgetümmel aus den Fängen ihrer Henker befreit, gehört zu der Handvoll bester Äktschnpassagen, die mir in über 20 Leserattenjahren untergekommen sind. Als Kind wurden Eliza und ihre Mutter von einem französischem Sklavenschiff vom Strand ihrer (fiktiven) Heimatinsel Quwglm entführt. Jack und Eliza geben im »Barock-Zyklus« das melodramatische Liebespaar. Es ist eine Wonne, wie der tollkühne Jack von der hochintelligenten und verführerischen Manipulationsmeisterin Eliza gezähmt wird[09]. Die beiden schlagen sich durch das unheimliche und trübe Deutschland, das nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges immer noch als Wüstenei darbt. Es gibt: Hexensabbat auf dem Brocken; Kriechabenteuer in Bergwerksschächten; nettes Geplausche mit Leibniz über Romane und Geheimbotschaftverschlüsselung; Jacks Kapriolen als Partyschreck die Ludwig XIV. einen schönen Party-Abend versauen; Elizas Begegnung mit Wilhelm von Oranien, der ihr einen geheimen Herzoginnenstitel verleiht, ihre Anfänge als durchtriebene Börsenbrokerin und schließlich das tragische Zerwürfnis zwischen Eliza und Jack, weil er sich naiverweise am Sklavenhandel beteiligt. Auf dem Schiff ›Die Wunden Gottes‹ reist er ins Unglück und wird von arabischen Piraten vor der Nordafrikanischen Küste gefangen genommen.

Buch 3 »Odalisque« knüpft wieder an Daniels Geschichte weiter, wie er sich in den heruntergekommenen Whitehall Palace begibt, um James II. offiziell vom Ableben George II. zu unterrichten. Ansonsten steht Eliza im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und wir begleiten sie von 1685 bis 1689 durch Norddeutschland, die Niederlande, und Frankreich, zu den inneren Kreisen des Versailler Sonnensystems mitsamt seinen vertrackten Intrigen und Eifersüchteleien, Big Brother-Überwachung und Satanisten-Machenschaften, Maskenbällen, Finanz- und Rohstoffproblemen. Eliza unterstützt als Spionin das geheime Großprojekt von Leibniz und Daniel, wird von einem Bastard Ludwigs geschwängert und rettet eine Prinzessin.

Band 2 »CONFUSION« springt nun von 1689 bis 1702 zwischen Europa und Exotik hin und her, vermengt beides, ganz der Programmatik des Titel entsprechend. In Buch 4 »Bonanza« sind wir mit Jack Shaftoe unterwegs, der wieder frei mit neun seiner Ruderbankkammeraden einen gigantischen Riffificoup durchzieht[10]. Die bunte Truppe verdeutlicht für mich sehr überzeugend, dass Aliens, Elfen und andere seltsame Humanoiden der Genre-Phantastik oftmals nix anderes sind, als dekorativ übertriebene oder vereinfachte Fremde und/oder Außenseiter[11]. Ostwärts geht’s für Jack & Co einmal um den Globus, mit Straßenschlachten auf dem großen Markt von Kairo, Sprengstoffgewinnung aus Pisse in Indien, den Geheimnissen der Edelstahlfertigung, ausgeklügelten Quecksilberschwingungsfallen in einem japanischen Hafen, von Sturm und Feuersbrünsten heimgesuchten Pazifiküberquerungen, und als finsterer Höhepunkt münden die beiden Romane des zweiten Bandes in einer mark- und beinerschütternden Folter/Vergewaltigungs-Doppelpackung.

Derweil folgt Buch 5 »Das Komplott« Elizas und Daniels Wegen. Eliza steigt zur Doppelherzogin auf und glänzt als Finanzmagiern, Beschützerin von Prinzessinen und leidgeprüfte Mutter. Ach ja: Peter der Große und sein Rudel poltern in diesem Band auf eine Art durch die Szenerie, dass mir ganz flau vor Lachen und Gruseln wurde. Newton und Leibniz (bzw. ihre Anhänger) debatieren sich in den großen Streit hinein, u.a. dazu, ob Newtons atomistisches oder Leibniz monadisches Weltbild stimmt[12]. Newton entschließt sich die Leitung der englischen Münze zu übernehmen, und das zu einem Gutteil auch, weil er aus alchemistischem Interesse äußerst erpicht darauf ist, das von Jack & Co. geklaute spanische Gold in die Finger zu bekommen. Daniel schließlich bricht am Ende des Bandes ‘gen Bosten auf, um für die nächsten 17 Jahre (siehe Beginn des ersten Bandes) einen (fiktiven) Vorläufer des MIT zu betreiben, und sein ›Comenius-Wilkins-Leibniz’sches, Pansophisch, Arithmetisches Maschinenlogisches Vernunftalgebraisches, Automatisch Rechnendes Behältnis allen Wissens‹ voranzutreiben[13].

Hat man bisher geglaubt, dass Stephenson schon sein Limit an kleinteiliger Ausbreitung historischer Feinheiten erreicht hat, wird von »SYSTEM OF THE WORLD« (Januar bis Oktober 1714) wohl nochmal überrascht werden. Die Detail- und Lebensfülle mit der London, vor allem der berüchtigte Tower und das Newsgate-Gefängnis beschrieben werden, hat mich schlicht geplättet (Oh, welch Wonnen der lustvollen Überforderung!). Zugegeben: ohne einem zumindest ansatzweise vorhandenem Interesse für Stadt- und Gebäudearchitektur und/oder Sozial- und Kulturgeschichte ist das sicherlich nicht sooo aufregend, wie ich hier juble. Aber es tut sich ja auch ordentlich viel, so kommt in Buch 6 »Salomons Gold« der alte Daniel in Südengland an, und bestaunt die ersten Versuche des Dampfmaschinenbaus. Irgendwer trachtet entweder ihm oder Isaac mit Höllenmaschinen nach dem Leben, und in Buch 7 »Währung« und Buch 8 »Das Gefüge der Welt« geht es dann richtig rund mit bürgerkriegsartigen Unruhen in London, verbissenen Kämpfen bei denen die Gegner wie Gozillas ganze Häuser platt machen, einem Duell zwischen Sklaven und Sklavenhändler mit Kanonen, und es schließt sich der Kreis des großen Hauptthemas ›modernes Finanz- und Währungswesen‹, das in Buch 1 mit einem jugendlichen Newton anhob, als dieser über das unübersichtliche Münzdurcheinander seiner Heimat bass erstaunt ist. Zuletzt gipfelt alles in einem philosophischen (sic) Showdown zwischen Newton und Leibniz, bei dem Globen rollen.

Diese Zusammenfassung ist freilich eine lächerliche Peinlichkeit, denn selbst doppelt oder dreimal so viel Worte könnten nur einen vagen Überblick des enorm stoffreichen Zyklus bieten, und ich komme mir vor, wie ein Kandidat, der an dem von Monthy Python erfundenden Wettbewerb teilnimmt, Marcel Prousts »Auf der Suche nach der verlohrenen Zeit« in einer Minute nachzuerzählen.

Schon mit seinen SF-Romanen hat mich Stephenson überrascht, mit der angenehm flüssig zu lesenden Kurzweiligkeit seiner erklärenden Prosa, denn unspannendes Technikblabla ist auch für mich eine lästige und ermüdende Plackerei, durch die mir SF-Lektüre schnell zu anstrengend und freudlos wird. Nicht so bei Stephenson, dem ich zutraue, dass sogar von ihm verfasste Mobiltelefongebrauchsanleitungen noch eine spannendere Lektüre für mich abgäben, als der x-te Band eines Genre-Franchise.

Für die Leser bleibt eigentlich nur die Möglichkeit sich dem Zyklus zu ergeben, hineinfallen und von seinen Strömungen mitnehmen zu lassen, und wie so manche begeisterte Rezensenten zu jauchzen: »Zu viel, denkt man, zu konfus, mehr davon!«[14], oder diese drei Bücher eben zu meiden. Da ich hier ausdrücklich Lese- und keine Kaufempfehlungen gebe, sei empfohlen, auf die Taschenbücher abzuwarten, oder mal bei Freunden und Büchereien zu lugen, und in den ein oder anderen Band des »Barock-Zyklus« reinzulesen, denn ich wage zu versprechen: findet man hinein in dieses gewundene Labyrinth, bleibt man erstmal darin hängen, ist das Vergnügen ein auf Jahre prägendes.

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»Barock-Zyklus I: Quicksilver« (engl. 2003 / dt. gebunden 2004, Taschenbuch 2006), ca. 1152 Seiten; ISBN: 978-3-442-46183-7
»Barock-Zyklus II: Confusion« (engl. 2003 / dt. gebunden 2006, Taschenbuch 2008) ca. 1024 Seiten; ISBN: 978-3-442-46662-7
»Barock-Zyklus III: System of the World« (engl. 2004 / dt. gebunden für Herbst 2008 geplant).
Alle drei Bände brillliant übersetzt von Nikolaus Stingl und Juliane Gräbener-Müller.

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Diese Rezension erschien ursprünglich in »Magira 2007 — Jahrbuch zur Fantasy«, Hrsg. von Michael Scheuch und Hermann Ritter. Hier nun korrigiert und exklusiv um einige weiterführende Links erweitert.

Eine erweiterte (sprich: noch geschätzigere) Fassung dieser Empfehlung kann man in der Molochronik lesen.

>>>> Hier gehts zum Trailer der Sammelrezi mit Introdubilo und Warentrenn-Überleitungen.

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ANMERKUNGEN:
[01] Umberto Ecos in der Zeit von Barbarossa spielender »Baudolino« verarbeitet die Fantasy-Propaganda über fiktive christliche Reiche im Orient; Matt Ruff legt mit »Ich und die Anderen« eine Innenwelt-Psycho-Fantasy-Quest-Romanze im heutigen Amerika vor; Chabon erzählt in »Die unglaublichen Abenteuer von Kevalier und Clay« über zwei fiktive Comic-Pioniere und ihren eskapistologischen Superhelden und Norfolk hat in »Lamprier’s Wörterbuch« und »In Gestalt eines Ebers« köstlich über Confusionen von Fakt und Phantasie fabuliert. ••• Zurück

[02] Was Willi Winkler in der »Literaturen« vom März 2007 über Pynchons neusten Wahnwitzschmöker »Against the Day« schreibt, scheint mir auch bis auf I-Tüpflechen auf Stephensons Romanen passen:

»Diesen Autor treibt das studentische Bedürfnis, die Welt nicht nur zu durchschauen, sondern auch noch zu retten. {…} Er ist Bastler, Ingenieur und möchte nichts Geringeres, als dem Welträtsel auf die Spur zu komen.«

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[03] Jedoch: Probleme bieten Gelegenheiten fürs Raffinessezeigen. Knoten wollen gelöst werden und Geschichtenerzählen ist immer Knüpfkunst bzw. -handwerk. ••• Zurück

[04] Erste ›Cliffhanger‹-Zumutung, und typisch für ein derart ambitioniertes Werk: erst nach über 1000 Seiten wird dieser Handlungsfaden zu Beginn des dritten Bandes wieder aufgenommen. ••• Zurück

[05] Grob gesagt Vorläufer u.a. moderner zeichentheoretischer, mathematischer & steuerungstechnischer Disziplinen wie Kybernetik, Programmierung und Informationstheorie. ••• Zurück

[06] Mit »Mercury, or the Secret and Swift Messenger« (1641) der erste Sachbuchautor in Sachen Geheimcodes, zudem mit seinem satirischen Mondfahrtabenteuer von 1634 ein SF/Phantastik-Pionier. Wilkins dient Stephenson auch als Anschauungskandidat, wie elendig in der damaligen Zeit Leute an so einer ›Kleinigkeit‹ wie Nierensteinen verreckt sind. Wie betet doch Samuel Pepys (dessen erotische Tagebücher von Helmut Krausser herausgegeben jüngst bei Eichborn erschienen sind) so schön ehrfürchtig:

»Herr des Universums, … Preis und Dank sei Dir dafür, dass Du uns die Gaben der Vernunft geschenkt hast, dank deren das Verfahren der Lithotomie erfunden wurde…«

Aus: »Confusion«, S. 623. Siehe auch Fußnote 10. ••• Zurück

[07] »Es gibt zwei berühmte Labyrinthe, in denen sich die menschliche Vernunft oft verwirrt« wie Leibniz meint. Der eine Irrgarten hat mit dem Wiederspruch zu tun, ob der Mensch bei seinen Entscheidungen und Meinungen Willensfreiheit genießt, oder ob er nicht doch gemäß göttlicher Vorherbestimmung (Predestination) handelt. Das zweite Labyrinth bezieht sich auf das Problem der Kontinuität oder des Unendlichen, was sich auch als Frage formulieren läßt, die in ihrer Einfachheit schon wieder mystisch klingt: Was ist der Raum? ••• Zurück

[08] Köstlich, wie die Knaben den Verurteilten mit einer theatralischen Werbung augenfällig vorspielen und singen, welchen Todesqualen verkürzenden Wert ihre Dienstleistung bietet. ••• Zurück

[09] Unter anderem durch Elizas Tantra-Gaben, mit denen sie Jacks vom Druck jahrelang angestauter »gelber Gallenflüssigkeit« befreit. Jacks Geschlecht wurde nämlich bei einer schiefgelaufenen, besoffenen Syphilis-›Operation‹ durch ein glühendes Eisen verbrutzelt, was ihn den Spitznamen ›Schuß-in-den-Ofen-Jack‹ (Half-Cocked Jack) bescherte. ••• Zurück

[10] Guckt Euch mal »Oceans 11«, 12 und 13, oder entsprechende Klassiker wie »The Sting« durch die Fantasy-Genrebrille an; Einbruchsmagische Künststüchcken in leicht überhöhter Echtweltwirklichkeit. ••• Zurück

[11] Bei den Schwarzalben der Edda überkommt mich kein Elfenschauer, sondern die Vermutung, daß die alten Nordeuroäer damit wohl die dunkelhäutigeren Südeuropäer, Afrikaner und Araber meinten. Und wenn ich daran denke, daß im Bergbau der Altvorderen bis hin ins junge 20. Jahrhundert sich Kinder kaputtschufteten, erscheinen mir die typischen McFantasy-Zwerge beunruhigend schal und verlogen. Aber warum sollte es bei Phantastik anders sein, als bei Wurst- und Gesetztmacherei? Weiß man erstmal, wie Wurst und Gesetzte fabriziert werden, kann einem der Appetit, bzw. der Glaube zum aktuellen Stand des Parlamentarismus vergehen. ••• Zurück

[12] Leibniz im Zwiegespräch mit Newtons Fanboy Fatio:

»Perzeption (Wahrnehmungsvermögen, A.d.Molo) und Denken sind Eigenschaften der Seelen. Zu postulieren, dass der Grunbaustein des Universums Seelen sind, ist nicht abwegiger, als zu behaupten, es seien kleine Stücke harten Stoffes, die sich im leeren Raumumherbewegen, welcher von geheimnisvollen Feldern durchdrungen sei.«

Aus: »Confusion«, S. 388). ••• Zurück

[13] »Confusion«, S. 755. Auf englisch: ›Comenius-Wilkins-Leibniz Arthmetickal Engine-Logick-Mill-Algebra of Ratiocination-Autopmatic Computation-Pepository of all Knowledge project‹ (S. 624). ••• Zurück

[14] Hier hier zum Lob von Maik Söhler in der »TAZ« zum ersten Band. ••• Zurück

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5 Kommentare

  1. tinius Says:

    Derzeit lese ich gerade Danielewskis „Das Haus“ und bekomme zunehmend mehr Lust auf diese Art literarischer Experimente. Zwar liegt Stephenson (in Englisch) schon länger auf meinem Stapel, aber diese Einführung verleiht dann noch einen zünftigen Motivationsschub, zumindest mit Band 1 noch in diesem Jahr zu beginnen. Gespannt bin ich auch auf Dahlquists „Glasbücher“, auf Steven Halls „Gedankenhaie“ und auf David Foster Wallaces „Infinite Jest“, dessen Übersetzung aber allerfrühestens 2008 / 2009 zu erwarten steht. Grundsätzlich scheint mit solchen „Cross – Over“ – Büchern, die manchmal doch eingezogene Leseroutine aufzubrechen und einem wirklich neu empfundenen Lesevergnügen den Weg zu bereiten.

  2. molosovsky Says:

    Danke für das implizierte »Macht Lust«-Lob, tinius!

    Steven Halls Buch wurde mir von meiner örtlichen Englisch-Büchhändlerin meines Vertrauens (»Readers Corner« sam Eschenheimer Turm in Ffm) in die Hand gedrückt mit den Worten: »Das ist seltsam, ich weiß nicht was ich davon halten soll. Wie finden Sie denn das?«. Ich blätterte, ich stutzte und freute mich über das enthaltene Daumenkino mit Typographie-Hai.

    Crossover … ja, als notorischer Querbeet-Phantast ist das genau mein Ding. Genre-Grenzen sind ja voll nützlich. Eben damit man Pylonen zum Umfahren hat.

  3. tinius Says:

    Hast Du Stephenson im Original gelesen ? Wenn ja – kann man das bewältigen ? Bei Danielewski habe ich mir die deutsche Übersetzung nachkaufen müssen, weil ein erster Blick ins Original dann doch Überforderung signalisierte.

  4. molosovsky Says:

    Jupp, ich habe den »Barock-Zyklus« auf Englisch durchgefräst, wie besessen. Die drei Originalbände erschienen ja im 3/4- oder 1/2-Jahres-Abstand und zwischendrinn war ich absolut auf Cold Turkey (und hab mir die Wartezeit mit Leibnizlektüre, Geschichtsstudien und Strukturanalysen vertrieben).

    Ob man es bewältigen kann, hängt freilich von der jeweiligen Verfassung ab. Ich halte mich nicht für einen supergroßen Englischkönner, aber ich habe mit klassischerem, flotteren und kulturgeschichtslastigem Englisch weniger Probleme als mit — ich sag mal — modernem Slang. Ich hab mir Englischlesen zu einem Gutteil mit dt./engl. Parallellesen von Shakespeare- und Joyce und ähnlichem antrainiert. Ich fand das Sprachentwicklungskapitel von »Ulysses« (Kap. 14) auf Deutsch um einiges sperriger ist als auf Englisch. — Es haben ja schon Goethen und der Flöten-Friedrich gejammert, dass es im Deutschen um so vieles mühevoller ist, einen gediegenen jedoch eingängigen Plauderton zu halten, das, was man ›Parlando‹ nennt.

    Die Übersetzungen des »Barock-Zyklus« lese ich jetzt aus Lust und Laune und ohne Hetze und ebenfalls mit viel Vegnügen.

  5. molosovsky Says:

    Service für alle »Barock-Zyklus«-Leser: Ausführliches deutsches Inhaltsverzeichnis.

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