Sonntag, 02.01.2011 | 17:19 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Ein Anwalt wird von einer seltsamen Krankheit geplagt, die außer ihm niemand sonst auf der Welt hat und die kein Arzt heilen kann. Sein Körper befiehlt ihm, auf Wanderschaft zu gehen. Er kann, wenn dieser Befehl kommt, nicht mehr stoppen, muss immer weiter laufen, bis er vor Müdigkeit in eine Art Koma fällt. So die Ausgangsposition in Joshua Ferris‘ Roman „Ins Freie“.
Kein Wunder, dass das Komplikationen mit sich bringt: Der Mann erleidet Erfrierungen, er verliert seinen Job und seine Familie. Zeitweise hat er einen gepackten Notfallrucksack immer griffbereit oder er ist zur Sicherheit gleich ans Bett gefesselt.
Diese vordergründige Krankengeschichte lässt sich natürlich auch als Allegorie auf die Lebenssituation berufstätiger Menschen in den mittleren Jahren deuten: Wie wäre es, einfach wegzulaufen: vor der
Familie, die sie einengt, vor dem Ärger im Job? So gesehen ein Roman über das Verlassen und sich wieder finden und über die starken Bande der Familie – denn trotz aller Schwierigkeiten verlieren sich unser Held Tim und seine Frau Jane nie völlig aus den Augen.
Und doch: So ganz passt am Ende denn doch nicht alles mit dieser fiktiven Krankheit zusammen, so dass Joshua Ferris‘ Aussage letztlich unklar bleibt. Insgesamt trägt die Krankheitsgeschichte nicht über die volle Distanz von 352 Seiten.
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Joshua Ferris: Ins Freie.
Luchterhand, August 2010.
352 Seiten, Hardcover, 19,99 Euro.
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