Mittwoch, 05.01.2011 | 22:16 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Seit dem Erscheinen von Jonathan Franzens Meisterwerk „Die Korrekturen“ im Jahre 2002 warten die Fans des 1959 geborenen amerikanischen Schriftstellers auf einen würdigen Nachfolger. „Schweres Beben“ war es nicht, „Die 27. Straße“ nicht (beide vor den „Korrekturen“ verfasst, aber in Deutschland später erschienen) und auch nicht „Die Unruhezone“. Erst jetzt, acht Jahre danach, ist mit dem über 730 Seiten dicken Wälzer „Freiheit“ ein Roman erschienen, der wieder die literarische Höhe der „Korrekturen“ erreicht. Der neue Franzen gehört sicherlich zum Besten, was das Bücher-Jahr 2010 zu bieten hat.
Eine Handvoll typischer Figuren steht dabei im Mittelpunkt: in der Hauptsache der verklemmte Weltverbesserer, der Frauen aufreißende Rockmusiker, die frustrierte Hausfrau und der über Leichen gehende Jung-Karrierist … „Freiheit“ verfolgt ihr Leben über viele Jahre hinweg. Sie alle erhalten die Freiheit – und das ist der Bezug zum Titel -, ihren Traum zu leben. Der Weltverbesserer Walter erhält Geld und Macht, ein Stück Land für eine Vogelart zu retten, muss jedoch feststellen, dass die Firmen, mit denen er dafür zusammenarbeiten muss, ihn nur ausnutzen. Er dient als Feigenblatt für ihre dunklen Machenschaften. Der Rockmusiker Richard kommt mit seinem plötzlichen Erfolg nicht zurecht, die Hausfrau Patty erkennt, dass das, was sie sich immer erträumt hat – ein aufregenderes Leben an der Seite des Rockmusikers -, für sie auf Dauer nicht die Erfüllung bedeutet, und der Jung-Karrierist Joey spürt, dass er den Bogen überspannt hat.
„Freiheit“ ist – wie die „Korrekturen“ – ein intensives Buch, das unfassbar tief und genau in die Gefühlswelten seiner Figuren eintaucht. Walter, Patty und Richard, aber auch Nebenfiguren wie Walters und Pattys Kinder, werden so lebendig, wie man sie sich als Leser nur wünschen kann. Das Buch strahlt eine hohe psychologische Glaubwürdigkeit aus, und es vermittelt etwas, das auch Freud schon wusste: Es ist Sex, der die Welt sich drehen lässt. Ein Buch über das Leben, über die Liebe, die Einsamkeit und die Familienbande, die so schwer zu durchtrennen sind. Ein Buch mit hohem Wiedererkennungswert im eigenen Leben.
Bei 730 Seiten bleiben einige Längen nicht aus. Manche Stellen über Erbschaftsstreitigkeiten, Vogelarten oder Weltverbesserer-Grundsatzdiskussionen hätten etwas kürzer ausfallen dürfen. Insgesamt jedoch ein grandioses Buch mit Potenzial zum Klassiker.
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Jonathan Franzen: Freiheit.
Rowohlt, September 2010.
731 Seiten, Hardcover, 24,95 Euro.
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06.01.2011 um 15:46 Uhr
Vielen Dank für diese tolle Rezension, ich habe die Korrekturen und Schweres Beben von Frantzen gelesen und mag den Autor sehr. Bin also schon eine Weile gespannt auf dessen neues Buch und werde dieses Jahr auf jeden Fall zu diesem Buch greifen.
08.01.2011 um 7:16 Uhr
[…] 18702 Wilkes Barre (Wilkes-Barre), USA Also you can take a look at this related read: https://blog.literaturwelt.de/archiv/jonathan-franzen-freiheit/ […]