Donnerstag, 18.04.2013 | 09:07 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Willie Sutton (1901 – 1980) hat zwischen 1920 und 1952 etwa 100 Banken ausgeraubt. Dabei soll er nie jemanden erschossen haben. In Amerika gilt er als eine Art Nationalheld: jemand, der es den Mächtigen zeigt – ein bisschen wie Robin Hood. Nun hat J.R. Moehringer ein Buch über ihn verfasst, das in Deutschland den seltsamen und grammatisch fragwürdigen Titel „Knapp am Herz vorbei“ trägt.
Der 1964 geborene amerikanische Schriftsteller, dessen in Deutschland 2007 erschienener Debütroman „Tender Bar“ ein Weltbestseller war, hätte sich sicher einen einfacheren Protagonisten für sein zweites Werk aussuchen können, denn das Leben des realen Willie Sutton steckt voller Widersprüche und Legenden. Auch war Sutton nicht immer ein Held in den Augen der Amerikaner. Als der junge Pfadfinder Arnold Schuster, der Sutton 1952 der Polizei ausgeliefert hatte, wenige Tage später erschossen wurde, ändert sich die öffentliche Meinung zu Suttons Ungunsten.
Der Roman beginnt mit der Haftentlassung Willie Suttons an Weihnachten 1969. Zwei Journalisten, ein Schreiber und ein Fotograf, unternehmen mit dem prominenten Ex-Bankräuber eine Tour, die die drei zu einigen Stationen führt, die für Willi Sutton eine Bedeutung hatten – eine Art Rahmenhandlung, die die wichtigsten Ereignisse in Suttons Leben miteinander verbindet. Das ist geschickt gemacht.
Und so lernt der Leser Willies brutale Brüder, die ihn als Kind ständig drangsalierten, genauso kennen wie Bess, die für immer seine große Liebe bleiben wird. Dieser Punkt ist wohl das größte Zugeständnis Suttons an die Gesetze des Romans, denn ob der echte Sutton diese eine große Liebe wirklich hatte, ist ungewiss. Später verübt er die ersten Banküberfälle, wird gefasst, bricht wieder aus, umgibt sich mit den falschen Freunden, wird wieder gefasst und so weiter.
Die Gefahr, die darin steckt, eine reale, bekannte Persönlichkeit als Romanvorbild zu nehmen, besteht natürlich darin, dass das Ganze etwas unspannend bleibt, weil man entweder weiß, wer Willi Sutton war und wie sein Leben verlief oder es ganz schnell bei Wikipedia nachlesen kann. Trotzdem: „Knapp am Herz vorbei“ bietet ein kurzweiliges Lesevergnügen, bei dem es keinesfalls in Groschenheftmanier nur um Banküberfälle und ein oberflächliches Räuber-und-Gendarm-Spiel geht, sondern vor allem um das zutiefst Menschliche, das diese amerikanische Legende umweht.
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J.R.Moehringer: Knapp am Herz vorbei.
S. Fischer, Februar 2013.
448 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
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23.04.2013 um 19:19 Uhr
Kann es sein, dass der Roman eher wie eine Doku daherkommt? Das Thema finde ich recht interessant und ich habe auch nichts über Dokus aber das Buch sollte einfach keine Doku sein.
Wenn du mir bestätigen kannst, dass es ein spannendes Buch im Nicht-Doku-Stil ist, dann bestelle ich es mir! 🙂
LG
Boris
23.04.2013 um 19:36 Uhr
Es ist schon ein Roman, wobei natürlich Romane über bekannte Persönlichkeiten (zumindest über solche, die man ergooglen kann) den Nachteil haben, dass man Teile der Handlung schon vorher kennt. Aber im Doku-Stil ist es nicht geschrieben. Insofern kann ich Dir empfehlen, es zu bestellen.