Sonntag, 02.02.2014 | 20:48 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Zadie Smith hat einen Roman über ihre Heimat geschrieben: den multikulturellen Nordwesten Londons, in dem die weniger Begüterten, die sozial Schwächeren wohnen.
Doch ein solches Milieu gibt‘s nicht nur in London, sondern in jeder größeren Stadt, und deshalb ist das Buch nicht nur für Leser interessant, die sich für die englische Hauptstadt interessieren.
Die 1975 geborene Autorin zieht ihre Geschichte an vier Hauptfiguren auf, die exemplarisch für die Menschen in solchen Vororten stehen können: Da ist die haltlose Leah, die sich ihrem dominanten Freund Michel unterordnet, der mittellose Junkie Nathan oder Felix, der einfach das Pech hat, an jugendliche Straßenräuber zu geraten. Allein Natalie scheint sich als erfolgreiche Anwältin aus dem sozialen Sumpf ihrer Kindheit befreit zu haben. Doch auch bei ihr gibt es eine dunkle Seite, wie sich im weiteren Fortgang des Textes zeigt.
„London NW“ bietet Licht und Schatten. Manchmal ist man den Figuren ganz nah, kann ihr Handeln gut nachvollziehen und fühlt sich unmittelbar in eine typische großstädtische Vorort-Atmosphäre versetzt. Doch dann gibt es auch die Passagen, in denen sich einem der Text auf merkwürdige Weise verweigert, seltsam sperrig wirkt. Dann fällt es schwer, die vielen (Neben-)Figuren und ihre oft verwirrenden Beziehungen untereinander aufzudröseln, beziehungsweise im Kopf immer parat zu haben. Auch werden solche Leser enttäuscht sein, die klassisch erzählte Geschichten mit Einleitung, Höhepunkt und Schluss mögen. Es geht bei diesem Roman eher um viele kleinere locker miteinander verwobene Episoden ohne Anfang und Ende, die nicht zu einem geschlossenen Ganzen führen.
Aber vielleicht ist es eben genau das, was jenes bestimmte Milieu, das Zadie Smith zeigen wollte, am ehesten veranschaulicht.
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Zadie Smith: London NW.
Kiepenheuer & Witsch, Januar 2014.
432 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,99 Euro.
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