Sonntag, 22.11.2009 | 21:16 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Stefan Thomes Debutroman „Grenzgang“ ist zu Recht für den Deutschen Buchpreis nominiert worden.
Den erhielt dann zwar Kathrin Schmidt („Du stirbst nicht“), dennoch bleibt „Grenzgang“ eine der interessantesten Neuerscheinungen dieses Bücherherbstes, weil es auf vielschichtige und psychologisch stimmige Weise von den Wechselfällen des Lebens, von der Liebe, dem Sex und der Suche nach Glück erzählt.
Stefan Thome (37) hat eine Tradition seiner Heimatstadt Biedenkopf in Hessen in das fiktive Städtchen Bergenstadt verpflanzt: den
„Grenzgang“, ein Volksfest, das nur alle sieben Jahre stattfindet und bei dem sich der komplette Ort für drei Tage im Ausnahmezustand befindet. Für Kerstin Werner und einige andere Bergenstädter stellen sich an jedem „Grenzgang“ die Weichen des Lebens neu. 1985 verliebt sie sich in Jürgen, 14 Jahre später geht die daraus entstandene Ehe zu Ende, und nach sieben weiteren Jahren beginnt Kerstin eine Beziehung mit dem Lehrer Thomas Weidmann. Doch eine Zukunftsvision auf den nächsten Grenzgang 2013 zeigt, dass auch diese Beziehung nicht frei von Krisen sein wird.
Der äußerst lebensnahe 450-Seiten-Roman, der auf vielen Zeitebenen spielt – den unterschiedlichen „Grenzgängen“ – verdeutlicht, dass Glück wie Unglück nicht von Dauer sind. Alles Handeln der Figuren bleibt in jeder Situation nachvollziehbar. Als Leser entwickelt man Sympathie sowohl für Kerstin Werner, die in einem Leben mit einer demenzkranken Mutter und einem pubertierenden Sohn nach Momenten des Glücks sucht, wie für den Lehrer Thomas Weidmann, der schwer daran zu knacken hat, dass seine Universitäts-Karriere in Berlin nicht funktioniert hat.
Auch wenn Autor Stefan Thome heute nicht mehr in Biedenkopf wohnt und er die rustikal-bierseeligen dörflichen Gewohnheiten skeptisch sieht, merkt man ihm auch eine gewisse Sympathie für solche Traditionen an.
Insgesamt ein sehr empfehlenswertes, kluges Buch.
——————————
Stefan Thome: Grenzgang.
Suhrkamp, Oktober 2009.
454 Seiten, Hardcover, 22,80 Euro.
Mit flattr kann man Bloggern mit einem Klick Geld zukommen lassen. Infos