Mittwoch, 22.04.2009 | 02:08 Uhr

Autor: Andreas Schneider

Rezension: Julya Rabinowich – Spaltkopf (von Elisabeth Pratscher)

SpaltkopfJulya Rabinowich wurde 1970 in St. Petersburg geboren. Seit 1977 lebt sie in Wien, wo sie auch studierte (Dolmetsch- und Übersetzer, Psychotherapieausbildung, Malerei). Sie veröffentlichte bereits in Anthologien, Dramen von ihr wurden z.B. im WUK und im Schauspielhaus aufgeführt. Rabinovich erhielt für ihre Arbeiten diverse Preise. Hervorzuheben ist der Rauriser Literaturpreis 2009 für die beste deutschsprachige Prosa-Erstveröffentlichung.
Googelt man nach Meinungen zu „Spaltkopf“, findet man vor allem Interviews. Werden preisgekrönte Bücher nicht einmal von professionellen Rezensenten gelesen? Eine böse Vermutung, der ich nicht weiter nachgehen will. Denn eines ist sicher: der Roman ist wichtig.

Es geht um die Geschichte einer jüdischen Familie, die in den 70er Jahren von Russland nach Wien emigrierte. Ich-Erzählerin ist Mischka, die entwurzelte Tochter. Man könnte jetzt natürlich nach biographischen Überschneidungen zwischen Hauptperson und Autorin suchen, die Autobiographie in der Fiktion freilegen. Die Frage ist nur: wozu? Das ist keine Talkshow in der ein kleines Mädchen seine Geschichte dem Publikum tränendrüsenwirksam präsentiert, das ist viel mehr. Mit einer Spurensuche, wie viel Julya in Mischka steckt, wird man der Geschichte nicht gerecht. Die Autorin erzählt eine Geschichte, die so gewesen sein könnte und überzeugt mich als Leserin. Dafür muss man nicht ihre Biographie kennen sondern das Buch lesen.

Der titelgebende und leitmotivisch eingesetzte Spaltkopf ist eine Schauerfigur für Kinder, ähnlich dem „Schwarzen Mann“. Er erhält aber auch eine eigene Stimme, kommentiert und berichtet Details, die Mischka nicht kennen kann.

Es geht nicht nur um die Erfahrung des Exils, es geht darüber hinaus um die Zerrissenheit und die Widersprüchlichkeiten innerhalb der Familie, und es ist auch die Geschichte von Mischkas Erwachsenwerden. Beeindruckend ist die Genauigkeit, mit der Mischkas Innenleben dargestellt wird, und die Intensität, die den Leser mitleben lässt.

Die Sprache ist klar, knapp und schonungslos. Auf den Migranten-Bonus kann Rabinowich gut verzichten, sie beherrscht ihr Werkzeug.

Fazit: Intensiv und beeindruckend.

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