Sonntag, 05.04.2009 | 23:33 Uhr

Autor: Andreas Schneider

Rezension: Svealena Kutschke – Kleine Dinge gut versiegeln (Wallstein Verlag)

Svealena Kutschke - Etwas Kleines gut versiegeln(Von Elisabeth Pratscher) Svealena Kutschke wurde 1977 in Lübeck geboren und lebt heute in Berlin. Sie studierte Kurlturwissenschaften und Ästhetische Praxis. 2006/07 erhielt die Autorin das Werkstatt-Stipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung, 2008 gewann sie den 2. Preis beim Open Mike der Berliner Literaturwerkstatt. „Etwas Kleines gut versiegeln“ ist ihr Roman-Debut. Viel mehr als die Information des Verlages spuckt Google auch nicht aus. Offensichtlich ist nur aus Svea Lena Svealena geworden.
Das Cover ist toll, auffällig und ein faszinierender Hingucker, der sehr gut zur Geschichte passt.

An ihrem 26. Geburtstag (oder auch nicht. Vielleicht ist sie nur „immer wieder gern 26“) fliegt die Ich-Erzählerin Lisa nach Sydney um beim Ex-Freund ihres Bruders unterzukriechen. In der Hosentasche hat sie die Holzfigur Sudden Smith, im Gepäck das Buch „Findet mich das Glück?“ vom schweizerischen Künstlerduo Fischli & Weiss. Die Fragen daraus werden Lisa und den Leser durch das gesamte Buch begleiten, eine wunderbare Idee. Ein paar Beispiele: Warum dreht sich die Erde einmal pro Tag? Wird der Bereich des Möglichen immer kleiner? Ist meine Unentschlossenheit die schönste Erfahrung meines freien Willens?

Lisa hat ihr Fotografie-Studium abgebrochen und ihre Kamera dramatisch zerstört. Irgendetwas hat das mit B. zu tun, der einzigen Figur, die nicht beim vollen Namen genannt wird. Puzzlestein für Puzzlestein erfährt man aus Lisas Erinnerungen mehr von ihrer Beziehung zu B., schließlich auch, was geschah.

In Australien arbeitet Lisa in einem Cafè, aber vor allem lässt sie sich treiben. Beschützt von Marc, der sie vor den allergrößten Dummheiten rettet, lernt sie die Stadt und neue Menschen kennen, geht auf Partys, nimmt Drogen, trinkt Alkohol, verliebt sich unglücklich in den Künstler Nick und hat Sex mit seinem Freund Ben, schmeißt sich an den Transsexuellen Mora und taucht in ihre Erinnerungen ein. Realität und Traum verschwimmen, sowohl für Lisa als auch für den Leser. So findet sie zB ein Foto von sich in einem Lokal, das sie nicht kennt. Auf einer Reise in den Outback zusammen mit Mora und Marc wird zwar nicht alles gut, aber Lisas Heilungsprozess beginnt – sie fotografiert wieder. Nach einem Jahr nimmt sie Abschied von Australien, womit die Geschichte endet. Aber sie lässt Sudden Smith der sie seit ihrem 12. Geburtstag begleitete, zurück.

Dieser Roman ist unglaublich facettenreich. Buchstäblich auf jeder Seite gibt es Details zu entdecken und zu bestaunen. Eine Aufzählung all dieser funkelnden Gedanken ist unmöglich, aber ganz besonders gut gefallen hat mir, was Kutschke aus Audens „Funeral Blues“ auf Seite 240 gemacht hat (Das will etwas heißen! Ich habe noch keine Übersetzung ins Deutsche, mit der ich zufrieden bin, gefunden): „To wail, to weep, to moan, stop all the clocks, cut off the telephone, to cry, to howl, to keen, let aeroplanes circle moaning overhead (…)“

Die Sprache bleibt im Gegensatz dazu zurückhaltend und schnörkellos, ein Transportmittel für den Ideenreichtum und die ungebremste Phantasie. Viele Motive, wie zB Sudden Smith, die Fragen von Fischli & Weiss, die „Elfchen“, die Lisa und ihr Bruder Elias mühelos hervorsprudeln, Lisas Beschäftigung mit dem Wörterbuch, etc, ziehen sich durch den gesamten Text ohne jemals aufdringlich oder nervig zu werden.

Fazit: Ein bemerkenswertes Debut, die Sorte Geschichte, bei der man bedauert, wenn sie zu Ende ist.

Erstveröffentlichung in Das Wortreich am 27.03.09
® Elisabeth Pratscher (2009)

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2 Kommentare

  1. Buchgezwitscher Says:

    Hier wird jeden Morgen der erste Satz eines lesenswerten Buches veröffentlicht: Jeden Tag ein neues Buch entdecken.

    http://tr.im/buchgezwitscher

  2. Dennis Says:

    Hört sich nach einem guten Buch an. Jetzt würde mich natürlich interessieren, warum sie Sudden Smith zurücklässt, denn ohne Grund macht sie das ja sicherlich nicht. Das Buch erklärt dies sicher.

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