Donnerstag, 15.11.2012 | 11:51 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Die Jugendabteilung eines Asylbewerberheims in Wien ist Schauplatz des Debütromans von Martin Horváth, eines 1967 geborenen österreichischen Schriftstellers. „Mohr im Hemd oder wie ich auszog, die Welt zu retten“ heißt das Buch, wobei sich der erste Teil des Titels doppeldeutig einerseits auf eine österreichische Süßspeise bezieht, andererseits auf den Ich-Erzähler, einen 15-jährigen schwarzen Jungen irgendwo aus Westafrika, der sich selbst Ali nennt.
Ali spricht 40 Sprachen und ist auch sonst wesentlich schlauer als seine Mitbewohner in besagtem Asylbewerberheim. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensgeschichten der zum Teil schwer traumatisierten Jugendlichen ans Tageslicht zu befördern. Und so erfährt der Leser von erschütternden Schicksalen wie dem von Yaya, der als Kindersoldat an der Elfenbeinküste dazu gezwungen wurde, ein Mädchen erst zu vergewaltigen, dann zu töten, oder von Nicoletta, die in Serbien in einem Bordell festgehalten wurde und sich prostituieren musste – um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen.
Obwohl der Inhalt dieser Abschnitte erschreckend ist, wird „Mohr im Hemd“ nie so bleischwer, wie es sein Thema vermuten lässt. Martin Horváth durchbricht die Schwere des Stoffes immer wieder mit den pubertären Problemen seines Helden – ist er doch alle paar Tage in ein anderes Mädchen aus dem Heim verliebt und will es auf schnellstem Weg ins nächste Bett bugsieren, in einem Fall sogar direkt heiraten.
Horváth begeht nicht den Fehler, die Asylbewerber ausschließlich als Opfer und bemitleidenswerte Kreaturen darzustellen. Diebstahl kommt genauso vor wie Rassendiskriminierung oder Drogenhandel. Zugleich hält er den westlichen Gesellschaften den Spiegel vor und zeigt ihnen, welche Vorurteile sie gegenüber Asylbewerbern haben.
„Mohr im Hemd“ würde perfekt unterhalten und zugleich in ergreifender und eindringlicher Manier auf das Schicksal von Asylbewerbern in westlichen Ländern hinweisen, wäre da nicht das surreale Ende – Martin Horváth nennt es „Epilog“ -, das nicht recht zum Rest passen will. Schade, denn damit macht der Autor ein bisschen von dem kaputt, was er zuvor aufgebaut hat. Aber nur ein bisschen. Insgesamt immer noch lesenswert.
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Martin Horváth: Mohr im Hemd oder wie ich auszog, die Welt zu retten.
DVA, August 2012.
352 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
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24.11.2012 um 17:37 Uhr
Es sollte mehr Erwachsene gegen, die so wie Ali sind. Die Zustände in deutschen Asylheimen sind zum großen Teil furchtbar und menschenunwürdig…
24.11.2012 um 17:38 Uhr
Es sollte mehr Erwachsene geben, die so wie Ali sind. Die Zustände in deutschen Asylheimen sind zum großen Teil furchtbar und menschenunwürdig…