Freitag, 13.07.2012 | 18:09 Uhr

Autor: Andreas Schröter

Jean-Marie Blas de Roblès: Wo Tiger zu Hause sind

Jean-Marie Blas de Roblès: »Wo Tiger zu Hause sind«Ein ambitionierter, anspruchsvoller und vielschichtiger 800-Seiten Wälzer des französischen Schriftstellers Jean-Marie Blas des Roblès aus dem Jahre 2008 ist jetzt auch auf Deutsch erschienen: „Wo Tiger zu Hause sind“. Das Werk strotzt nur so von philosophischen, religiösen, literarischen und naturwissenschaftlichen Querverweisen. Man merkt dem Text an, dass sein 1954 geborener Verfasser einen universitären Hintergrund hat: Jean-Marie Blas des Roblès hat in Paris Philosophie und Geschichte studiert und lehrte später an Universitäten in Brasilien, China und Italien. In seinem Buch, das mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde, gibt es nicht nur einen Handlungsstrang, sondern mindestens zwei – aber eigentlich sogar fünf oder mehr.

Zum einen wird der Journalist Eléazard, der in Brasilien lebt, damit beauftragt, die wiederaufgetauchte Biographie des Jesuitenpater Athanasius Kircher – den gab’s wirklich – herauszugeben. Und so beginnt jedes der 32 Kapitel mit einigen Seiten aus dem Leben jenes Wissenschaftlers, der im 17. Jahrhundert lebte und in Diensten der Kirche stand. Dieser Teil der Geschichte, den Blas de Roblès dem Assistenten Kirchers, Pater Casper Schott, zuschreibt, ist zwar für wissenschafts-geschichtlich interessierte Leser hochinteressant, literarisch zuweilen jedoch etwas einseitig, weil besagter Caspar Schott in Bewunderung für seinen Meister geradezu erstarrt: Kircher kann alles, weiß alles, und ihm gelingt alles.

Der zweite Teil des Romans spielt im Jahre 1980 greift in mehreren Erzählsträngen Themen und Lebenssituationen im modernen Brasilien auf. Ein skrupelloser Politiker will den Dschungel für ein Urlaubsparadies abholzen, eine Wissenschaftlerin wird mit ihrem Team von der Drogenmafia bedroht und verirrt sich im Dschungel, wo sie auf Ureinwohner trifft. Der Journalist Eléazard verliebt sich, seine Tochter Moéna geht auf einen drogenreichen Selbsttfindungstripp, während der behinderte Nelson in den Favelas ums Überleben kämpft.

Das alles ist viel, lang und nicht immer ganz einfach, so dass die Lektüre ein hohes Maß an Zeit und Kozentration verlangt. Für die Luftmatratze am Strand ist das sicher nichts. Auch erschließt sich nicht, was eigentlich das Leben des Jesuiten-Paters mit dem modernen Brasilien zu tun hat. Zwar gibt es ganz am Ende einen kleinen Verweis dazu – der ist aber alles andere als überzeugend. Insgesamt nur beingt empfehlenswert.
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Jean-Marie Blas de Roblès: Wo Tiger zu Hause sind.
S. Fischer, Mai 2012.
800 Seiten, Gebundene Ausgabe, 26,99 Euro.

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