Montag, 13.11.2017 | 12:52 Uhr
Autor: rwmoos
Albtraum Jakobsweg: Mord auf der Via Podiensis
Pilgerfahrt mit Baguette
Jakobsweg: Klappe, die zweite.
Um es kurz zusammenzufassen: Wieder ist dem Autor ein zügig zu lesendes und auch recht spannendes Buch gelungen. Es lebt von seinen nahezu großzügigen Grundideen, feiert seine Gipfel in der Ortskenntnis und geografischer Detailarbeit, schwächelt aber an den noch unterentwickelten, auch in sich unstimmigen Persönlichkeiten.
Da fühlt sich eine der Hauptpersonen mal ständig fremdbestimmt, bellt aber andererseits Anweisungen die weder von einer Autorität der Person noch von einer solchen des Amtes gedeckt wären, stets freizügig heraus. Solche Sachen halt.
Dass Kirchenfürsten einschüchternd brüllen, wenn sie etwas erreichen wollen, kommt auch eher selten vor. Dort herrscht in solchen Fällen ein ganz anderer Ton: Jener der betont sachbezogenen Freundlichkeit, getrieben von der Sorge um das Wohl des Gegenübers. Wer in den Ämtern so hoch gespült wird, beherrscht diese Schlangenbisse aus dem Effeff, ist aber proletarisch lautem Geheule völlig abgeneigt. Nicht dass er diese Sprache nicht sprechen wolle – er kann sie einfach nicht, weil er die grundlegenden Vokabeln, geschweige denn die Antigrammatik gar nicht beherrscht.
Genauso wenig ermorden bösartige Nonnen (die es ja durchaus wirklich gibt) ihre Untergebenen. Die brauchen sie ja, um ihrem Wesen gerecht werden zu können, lebend. Da begegnet man der Omega-Nonne auf dem Flur viel lieber mit kryptischen Floskeln wie: „Gelt Walpurga: Die Rache ist mein!, spricht der Herr! Denk‘ immer dran und behalte die Heilige Jungfrau im Herzen!“, statt zu Hildegard’schen Tinkturen zu greifen.
Egal: Bei einem Krimi darf es auch atypisch bunt zugehen, was die Wahl der Mittel angeht. Gleichwohl stimmen stimmige Stimmen, Handlungsstränge und Charaktere den Leser milder.
Spielt doch die Glaubwürdigkeit der Handlung bei den meisten Krimis die Rolle des ersten Opfers und ist auch hier nicht wirklich zu bemängeln, solange die Spannung aufrecht erhalten wird. Und da macht sich der zweite Teil von „Albtraum Jakobsweg“ recht gut. Auch der Erzählstil gewinnt an Fahrt und so ab der zweiten Hälfte dieses zweiten Bandes bemerkt man sogar eine flüssige Schreibweise, die deutlich an Harmonie und Fahrt gewinnt.
Leider holpert auch der zweite Teil immer mal noch über die Tücken der Sprache. Welcher Lektor übersieht denn auf den ersten drei Seiten gleich zweimal, dass „was“ als Relativpronomen selten taugt, sondern von Haus aus ein Fragepartikel ist?
Auch dürfte die Entscheidung, dass man indirekte Rede in Anführungszeichen setzen möchte, während man bei direkter gelegentlich darauf verzichtet, mit unkonventioneller Methodik nur unzureichend begründet sein.
Aber der Grund, weshalb ich bekenne, das Buch recht gern gelesen zu haben, ist weder vom Inhalt noch vom Stil her begründet, sondern hat eine Meta-Ursache: Man merkt beim Lesen, dass dem Autor seine Arbeit Spaß macht und ist deshalb gern gewillt, über die hier angeschnittenen Mängel hinwegzusehen. Hier schreibt keiner, der mit seinen Texten hofft, das große Geld zu verdienen, sondern jemand, der sich eine Story ausgedacht hat, und seine Figuren einfach mal auf den Weg schickt.
Insofern ist das Buch selbst ein Jakobsweg. Hoffen wir, dass zumindest der harte Kern irgendwann auch gut ankommt. Wenn nicht in Santiago, dann halt anderswo.
Tüchersfeld, den 25.10.2017
Tags: Belletristik, Belletristik: Krimi, Jakobsweg
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