Dienstag, 26.04.2011 | 17:51 Uhr
Autor: Immo Sennewald
Es hat eine Weile gedauert, ehe ich mich traute, zu diesem Buch etwas zu schreiben.
Als mir Hans Zengeler seinen “Traumtänzer” in die Hand drückte, hatten wir ziemlich viel miteinander geredet und geraucht, wir hatten uns über Vorlieben ausgetauscht und Aversionen, wir wussten beide, dass wir die Texte des anderen schätzen. Wir gehören derselben Generation an, wir haben beide einige Erfahrung in der Rolle des Taugenichts; der eine sein ganzes Leben im Westen Deutschlands, der andere fast zwei Drittel im Osten. Den “Traumtänzer” habe ich gleich im Zug von Ludwigsburg nach Baden-Baden angefangen; es war eine kurzweilige Reise, danach habe ich ihn nicht aus der Hand gelegt, ehe ich Hans Zengeler per facebook mitteilen konnte, wie sehr mir das Buch gefallen, dass ich bisweilen den Eindruck hatte, wir beide haben über all die Jahre von 1968 bis heute aufeinander zu geschrieben. Aus so einer Stimmung heraus kann man keine Kritik schreiben, jedenfalls keine “objektive”.
Daran denke ich auch gar nicht. “Objektivität” ist mir verdächtig. Aber mit dem Abstand von ein paar Monaten habe ich mir das Buch aus dem Jahr 1993 nochmal vorgenommen, das Vergnügen war ungeschmälert, deshalb führe ich hier einfach auf, was mir so sehr gefällt:
Witz und die Selbstironie, mit denen da einer über doppelte und dreifache Böden von Erfundenem und Erlebtem hopst, und wenn die Böden unter ihm bersten – das passiert andauernd –, dann wird das Räderwerk des “geordneten Lebens” sichtbar, ächzt und knarrt. Mich muss keiner dazu agitieren, diesem Räderwerk weiträumig auszuweichen, aber es ist schon was Besonderes, haarklein bestätigt zu bekommen, dass sich Hebel, Zähne, Muttern und Schrauben der Mechanik in Ost und West nur wenig unterscheiden.
Was mir aus der DäDäÄrr-Ferne schon ziemlich eingeleuchtet hatte, seit geglückter Ausbürgerung aus dem “Arbeiter-und-Bauern-Staat” immer deutlicher vor die Linse kam, kriegt in Zengelers Nahaufnahme eine überaus komische, gerade in diesen Tagen brandaktuelle Schärfe: die Revoluzzer von heute sind die Despoten von morgen (naja, das ist jetzt mit all den Erfahrungen von Revolutionen nicht überraschend, wirkt aber in Bezug aufs 68er Personal unwiderstehlich auf die Lachmuskeln).
Fernsehen ist dumm, macht dumm und strebt darin weiter zum Punkt höchster Vollendung.
Wenn einer schon histrionisch begabt ist, sollte er nicht erwarten, in sicheren Fahrwässern schwimmen zu können. Er braucht Strudel, Turbulenzen und Geschichten mit offenem Ausgang – immer neue jedenfalls, mit immer neuen Rollen fürs Ego. Wenn er Glück hat, ist er am Ende. Dann aber zufrieden.
Dahlemer Verlagsanstalt
Tags: autor, Das Wortreich, Geschichte, Humor, Leben, Literatur, medien, Rezension, Roman, Sprache
Mit flattr kann man Bloggern mit einem Klick Geld zukommen lassen. Infos