Donnerstag, 05.07.2012 | 17:21 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Ein Buch im Buch – das ist Austin Wrights Roman „Tony & Susan“.
Susans Exmann Edward, der immer Schriftsteller werden wollte, schickt ihr 25 Jahre nach der Scheidung sein Roman-Manuskript und bittet sie um ihre Meinung. Etwas widerwillig macht sie sich ans Lesen. Schließlich war sie früher alles andere als überzeugt vom Edwards Talent. Sie stellt jedoch schnell fest, dass sie der Text, „Nachttiere“ heißt er, schnell gefangen nimmt und sie kaum von ihm loskommt. Dem Leser geht’s genauso: „Nachttiere“ ist ein enorm spannender Thriller, in dem Tonys Familie nachts auf der Autobahn von drei Männern in einem anderen Auto abgedrängt wird. Ein Unfall passiert – doch es kommt noch weitaus schlimmer für Vater, Mutter und Tochter …
Dieser düstere Roman im Roman wird zu einer rasanten und emotionalen Achterbahnfahrt, in dem es um Rache, Hass, Trauer und den verzweifelten Wunsch nach einem normalen Leben geht. Auch die Perspektiven von Gut und Böse verschieben sich. Ein Text von ganz enormer Kraft und Sogwirkung.
Parallel dazu erfährt der Leser auf einer zweiten Handlungsebene etwas über Susan, die diesen Roman liest. Sie hat sich damals von Edward scheiden lassen, um mit dem handfesteren Chirurgen Arnold zusammenzuleben. Ihn hat sie später geheiratet und drei Kinder mit ihm bekommen. Doch die Ehe kriselt inzwischen. Arnold betrügt sie mit einer Kollegin. Während des Lesens spürt Susan, wie alte Sympathien für Edward in ihr geweckt werden, und die freut sich auf ein geplantes Wiedersehen. Auch dieser Teil des Buches ist interessant, weil psychologisch glaubwürdig und geistreich, jedoch kein Thriller.
Bleibt die Frage, was die beiden Handlungsstränge miteinander zu tun haben. Laut Verlagsangaben will der fiktive Schriftsteller Edward seiner Exfrau mit dem Manuskript und mit dem Verhalten seiner Hauptfigur Tony eine Botschaft über sie zukommen lassen – nach dem Motto: Das passiert mit Menschen, die sich nicht wehren. Das erscheint jedoch nicht ganz so überzeugend. Aber das ist egal: „Tony & Susan“ bleibt ein tolles Buch.
Autor Austin Wright, 1922 bis 2003, war Englisch-Professor in Cincinnati. Die englische Original-Version von „Tony & Susan“ hat er 1993 geschrieben. Eine erste deutsche Übersetzung ist 1996 bereits bei btb erschienen.
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Austin Wright: Tony & Susan.
Luchterhand, Mai 2012.
416 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
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