Donnerstag, 17.11.2005 | 08:53 Uhr
Autor: Christiane Geldmacher
“Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben.”
Horaz
(via>>> Fabian Mohr, der das Zitat als einen der dümmsten Sprüche der Weltliteratur bezeichnet. Gäbe eine schöne neue Rubrik ab – Die dümmsten Sprüche der Weltliteratur.)
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18.11.2005 um 13:47 Uhr
Fabian Mohr hat sich offensichtlich nicht die Mühe gemacht, bis zur Quelle des Zitats vorzudringen. Dümmer noch als der dümmste Spruch ist es nämlich, einen aus seinem literarischen und historischen Kontext gerissenen Satz als dummen Spruch zu bezeichnen.
18.11.2005 um 15:23 Uhr
Dann erleuchte uns doch 😉 Wie war der Kontext?
21.11.2005 um 9:21 Uhr
Ist nicht von Horaz ›Sempre aude‹?
Die Frage ist ja, welche Kulturen sich in so einem Horaz-Sprüchlein, wie dem oben zitierten spiegeln. Zumindest mein Herz hängt weder der seßhaften Vaterlandshingabe noch dem umherziehenden Barbaren an, und vielleicht läuft der Spruch ja auf diesen Kontrast hinaus.
21.11.2005 um 9:33 Uhr
Und bitteschön, das ganze Gedicht, aus dem der Knall-Peng-Satz stammt, gibt beim deutschen Gutenberg-Projekt.
[url=http://gutenberg.spiegel.de/horaz/oden/odhor302.htm]Oden, Drittes Buch, zweites Gedicht: »Römerzucht«[/url]
21.11.2005 um 9:41 Uhr
Und weils so zünftig ist, hier die entsprechende Ode auf Englisch:
ANGUSTAM AMICE.
To suffer hardness with good cheer,
In sternest school of warfare bred,
Our youth should learn; let steed and spear
Make him one day the Parthian’s dread;
Cold skies, keen perils, brace his life.
Methinks I see from rampined town
Some battling tyrant’s matron wife,
Some maiden, look in terror down,—
»Ah, my dear lord, untrain’d in war!
O tempt not the infuriate mood
Of that fell lion! see! from far
He plunges through a tide of blood!«
What joy, for fatherland to die!
Death’s darts e’en flying feet o’ertake,
Nor spare a recreant chivalry,
A back that cowers, or loins that quake.
True Virtue never knows defeat:
HER robes she keeps unsullied still,
Nor takes, nor quits, HER curule seat
To please a people’s veering will.
True Virtue opens heaven to worth:
She makes the way she does not find:
The vulgar crowd, the humid earth,
Her soaring pinion leaves behind.
Seal’d lips have blessings sure to come:
Who drags Eleusis‘ rite to day,
That man shall never share my home,
Or join my voyage: roofs give way
And boats are wreck’d: true men and thieves
Neglected Justice oft confounds:
Though Vengeance halt, she seldom leaves
The wretch whose flying steps she hounds.
22.11.2005 um 9:01 Uhr
Also da mein Latein minimal eingerostet ist: Ich finde zwar im dt. udn engl. Text Hiwneise, dass der Krieg ne unfreundliceh Sache ist, was aber den Satz an sich nicht ironisiert sondern lediglich relativiert. (D.h. ‚Trainiert mal schön, ist ne harte Welt da draußen, erwartet keine Gnade.‘)
Für anderslautende Ansätze bin ich gespannt offen…
(„Fipptehler“ entfernt, ist natürlich böse wenn das Hirn schneller arbeitet als die Finger und die Augen Urlaub haben…)
22.11.2005 um 13:30 Uhr
Bin erst jetzt wieder hier, danke Molosovsky und sage: daß sich der Satz des Horaz nicht einfach mal eben interpretieren läßt, weil wir alle uns in der Literatur des Altertums nicht auszukennen scheinen. Und darum geht es mir: daß wir Kinder des barbarischen 20. Jahrhunderts nicht so überheblich sein sollten, mal eben schnell zu behaupten, ein Dichter des Altertums, zumal ein von Wieland höchst geschätzter und übersetzter Satiriker, habe einen der dümmsten Sätze der Literaturgeschichte geschrieben. Genug, daß es sich ohnehin nicht um einen dummen Satz des Horaz handelt, sondern um eine Anspielung auf Tyrtaios (7. Jh. v. Chr.); siehe hier.
Was die nun wiederum zu bedeuten und welchen Stellenwert der Satz im Kontext hat, können wir also nicht klären, solange wir nicht über das nötige Wissen verfügen. Bis dahin gilt: Nicht Horaz hat etwas Dummes gesagt, sondern dumme Leute haben seinen von Tyrtaios übernommenen Satz (der vielleicht auf noch ältere Quellen zurückgeht, sich also im tiefen Brunnen der Vergangenheit verliert) aus dem Zusammenhang gerissen und für ihre Zwecke mißbraucht.
23.11.2005 um 0:10 Uhr
Also damein latein minimal eingerotete ist: Ich finde zwar inm dt. udn engl. text Hiwneise, dass der Krieg ne unfreundliceh Sahce ist, was ber den Satz an sich nicht ironisiert sondern lediglich relativiert. (D.h. ‘Trainiert mal schön……Kein Kommentar
23.11.2005 um 8:50 Uhr
Na, wenn Du keinen Kommentar hast, solltest Du auch keinen posten 😉 J
a, die Tipperei da oben ist korrekturfähig, mach ich gleich 😉
23.11.2005 um 8:55 Uhr
@PW:
Unbenommen, dass das Zitat ‚benutzt‘ wurde. Aber auch deien Quelle sagt lediglich, dass er sich auf ein griech. Vorbild bezieht (kann das einer Übersetzen und den Kontext schildern?)
Meiner Erinnerung nach allerdigs funktioniert Argumentration nicht a la: „Wir sind keine Experten, deswegen steht uns keine Bewertung zu.“
Fakt ist:
* Isoliert würden wir heute dem Zitat so nicht zustimmen wollen.
* In der Übersetzung im Gutenberg-Projekt finde ich weder Signale der Ironie nch des Sarkasmus und selbst wenn er sich kritisch von seinem griech. Vorbild abheben will, würde ich denken, dass es ein weiteres Signal dafür geben sollte, dass er diesen Satz sarkastisch (oder wie?) meint.
* Wenn schon, dann sollten wir hier jetzt nicht stehen bleiben sondern mal nachhaken. ich werd mal eine Bekannte, die Griechisch gelernt hat (ob sie es noch kann ist was anderes), fragen 😉
23.11.2005 um 9:05 Uhr
Also, ich hab jetzt ne Anfrage an eine Latein+Griechischkennerin und an den Schreiber des Usenet-Postings zur griech. Quelle geschickt. Jeweils mit Hinweis auf diesen Thread. Mal sehen 😉
23.11.2005 um 9:18 Uhr
@PW: Fällt mir noch ein: Was ist das für ein Argument:
Der Satiriker Horaz sei von Wieland übersetzt worden?
Ich schätze Wieland extrem, aber inwiefern wird ein unbenommen wichtiger Autor durch seinen ebenso unbenommen wichtigen Übersetzer sozusagen „geadlet“ oder gar über Kritik erhaben?
Wenn jetzt Mahatma Ghandi Adolf Hitlers ‚Mein Kampf‘ ins Sanskrit übersetzt hätte (jaja, Hindi) oder Martin Luther KIng Alfred Rosendberg in Ebonics (einfach googeln 😉 ) ediert hätte, was wäre daraus zu schließen?
Oder wenn Paul Auster Böll übersetzt? (duck)
Oder war das lediglich ein Hinweis darauf, das der ganze Text satirisch zu lesen sei? Das wäre ja möglich, dann wüsste ich aber gerne, wie er funktioniert. Ich denke, dass lateinische Satire sich uns in der Tat nicht spontan erschließt. (Da haben wir einen Konsenspunkt 😉 )
Das ‚Mens sana in corpore sano‘ hat ja auch so einen Kontext, es heisst eben nicht, dass in einem gesunden Körper „automatisch“ ein gesunder Geist wohne [dass also der IQ sich vom Boxen (ok, Ringen) hebt…] sondern stellt die Forderung (an die römsche Jugend), nicht nur die Muskeln sondern AUCH das Hirn zu trainieren. Also: ‚Dass in einem gesunden Körper AUCH ein geunder Geist wohne(n möge).‘
Watt war datt? Juvenal: Satiren? Diestehenhierirgendworum…
Allgemein: Ist ein Autor „schuld“, wenn er ‚historisch‘ missbrauchbar ist? Also: Fritz Nietzsche und so? Ich hab schon Autoren gehört, die sagen: ‚Ich versuch so zu schreiben, dass das bei mir nicht passiweren kann.‘
26.11.2005 um 22:29 Uhr
Tja die ‚Altgriechin‘ ist längst keine mehr und schreibt:
…das hat die Anmutung eines Kreuzworträtsels für pensionierte
Althistoriker, und leider kann ich dazu nichts beitragen. Womöglich wird
man bei einem griechischen Historiker der Thermopylenschlacht fündig, …
Mal seehn ich kannte noch jemand mit LK Altgriechisch, aber wenn mir der Name nur einfiele…
27.11.2005 um 0:16 Uhr
Frau Kaltmamsell schrub mal von einem Griechisch-LK.
29.11.2005 um 12:22 Uhr
Kuck erst jetzt wieder hier rein und stelle fest, daß OG nicht verstanden zu haben scheint, was ich mit meinem Wieland-Hinweis meinte. Macht aber nix. Schließlich leben wir in Abdera.