Sonntag, 21.08.2016 | 17:56 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Endlich auch auf Deutsch erschienen ist eine kurze, aber interessante Geschichte des polnischen Autors Włodzimierz Odojewski: „Verdrehte Zeit“.
In diesem Kurzroman, der im polnischen Original bereits aus dem Jahre 2002 stammt, wird der Ich-Erzähler in den 60er-Jahren mit einer Episode konfrontiert, die sich 20 Jahre zuvor im besetzen Warschau ereignet hat. Dort war er seinerzeit Mitglied einer Widerstandsgruppe.
Im Treppenhaus seines Wohnhauses übergibt ihm nun eine Frau einen Brief, der genaue Anweisungen für eine geheime Operation gegen die Gestapo enthält. Doch was soll das Ganze? Er hätte diesen Brief damals, nicht 20 Jahre später erhalten müssen. Und wer ist die Frau, die ihn so sehr an das einzige weibliche, aber später von den Deutschen ermordete Mitglied von damals erinnert?
Im Roman Włodzimierz Odojewskis, der 1930 geboren wurde und vor wenigen Wochen starb, vermischen sich die Zeitebenen. Mal ist der Ich-Erzähler in den 60er-, mal in den 40er-Jahren.
Denn obwohl es aus seiner Sicht Unsinn ist, sich jetzt an den Ort der Widerstands-Handlung zu begeben, um die Anweisungen in dem Brief auszuführen, tut der Ich-Erzähler genau das. Mit fatalen Folgen …
Odojewski hat seine Geschichte geschickt konstruiert, und ganz am Ende hält er sogar noch eine ganz dicke Überraschung für den Leser bereit.
„Verdrehte Zeit“ ist ein Roman über Schuld und über die Zeit, die manchmal eben doch nicht alle Wunden heilt.
Aus heutiger Sicht wirkt der Text zwar womöglich stilistisch mit vielen langen Sätzen etwas geschraubt und vielleicht sogar unmodern, ist aber ein ungewöhnliches und deswegen interessantes Miniaturstück Literatur, das durchaus Beachtung verdient.
Wlodzimierz Odojewski: Verdrehte Zeit.
dtv, Juli 2016.
160 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.
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