Montag, 06.09.2010 | 13:26 Uhr

Autor: Odile

Tintenherz – Tintenblut – Tintentod

Nach zwei durchbuchstabierten Nächten hat man es fast geschafft: sich hinüberzulesen in die Tintenwelt. Aber ob das so erstrebenswert ist? Die Tintenherztrilogie hält, was ihre Titel versprechen: Tintenblut fließt reichlich bis zum Tintentod. Das geht ans Tintenherz. Die letzten zwei Bände spielen weitgehend in der mittelalterlich anmutenden Welt, die der Dichter Fenoglio geschaffen hat – oder auch nicht (sehen wir hier mal davon ab, dass es Cornelia Funke war). Diese Papierwelt scheint aus Fleisch und Blut zu bestehen und gehorcht zunehmend ihren eigenen Gesetzen, die der Autor nicht mehr beherrscht. Herz Blut Tod.

Dem magischen Sog von Funkes Geschichten kann man sich kaum entziehen. Zauberhaft sind viele Tintenweltorte wie der Weglose Wald oder die düstere Burg im See, spannend das Schicksal der Figuren und ihr Versuch, diesem Schicksal zu entkommen, unglaublich phantasievoll die unzähligen Varianten von Büchern mit ihren geheimnisvollen Kräften.

Auch im letzten Band Tintentod leben und leiden wir LeserInnen mit Mo und Meggie, die sich durch die Tücken der Tintenwelt kämpfen. Ein bisschen Mitleid haben wir auch mit den andern Figuren: mit Farid und Staubfinger beispielsweise, die heraus- und wieder hineingelesen werden in Papier- und Realwelten – aber welches ist die reale Welt? Wir sympathisieren mit dem Schwarzen Prinzen, vielleicht auch mit Resa und Roxane, mit Elinor und Darius, auch wenn diese vier etwas blass oder sehr stereotyp bleiben. Dennoch kommen wir aus dem Staunen nicht heraus. Atemlos hören wir den Schrei des Eichelhähers, heftig verabscheuen wir den Natternkopf, ungeduldig beobachten wir Fenoglio – und verfluchen seine Schreibblockade.

Trotz mancher Kritikpunkte: Die Sprache funkelt nur selten, wie sie es sollte in dieser Phantasiewelt, die aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate am Anfang der Kapitel behindern den Lesefluss, die Beziehungen zwischen den Figuren sind psychologisch gesehen nicht immer überzeugend gestaltet, die verschiedenen Handlungsmuster ähneln sich mitunter zu sehr, wiederholen sich, die mittelalterliche Grausamkeit und die überstrapazierten Buchstaben können ab und zu ein wenig Überdruss hervorrufen – trotz dieser Kritikpunkte aus dem Erwachsenenblickwinkel schafft die Tintenbluttrilogie eine unvergessliche, bunte Welt aus Phantasie und Buchstaben. Man muss diese Bücher mit Kinderaugen lesen. Aber zugleich können sich erwachsene LeserInnen am Spiel mit fundamentalen Fragen erfreuen: Was ist Wirklichkeit? Wie groß ist die Macht der Buchstaben? Wer schreibt das Buch: die Autorin, die Figuren oder die Leserinnen und Leser?

Tintenherz, Tintenblut, Tintentod: eine Hommage an die Buch- und Schreibkunst, an die Kunst des Lesens und Vorlesens und nicht zuletzt an die Magie der Geschichten.

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2 Kommentare

  1. Literaturwelt. Das Blog. » Blog Archive » Geisterritter! Says:

    […] macht, denn von “Lesen” kann da ja keine Rede mehr sein. Odile Endres, die bereits die Tintenherz-Trilogie hier besprochen hat, gibt mir da sicherlich […]

  2. lesestoff Says:

    Mir hat besonders das erste Buch aus der Trilogie gefallen. Die Zitate fand ich im Gegensatz zu dir eher schön. Sie passen inhaltlich auf einer tieferen Ebene und unterstreichen die Buchlesesucht von Maggie und Mo. Ich finde das Buch gerade, um Kinder vom Lesen zu begeistern, sehr geeignet. Tintenblut lässt dann vor allem etwas nach.

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