Sonntag, 23.10.2005 | 09:35 Uhr

Autor: andreaffm

Schreiben, schwimmen, schreiben und irgendwann ist ein Buch da

So Freitag Abend, Samstag Morgen ist man dann langsam auf dem Hund. Drei Tage pausenloses Herumgerenne bei zu schlechter, zu wenig und zu teurer Nahrung in zu trockener Luft mit zu wenig Schlaf. Ich wache auf, und meine rechte Körperhälfte funktioniert nicht mehr. Irgendwie hab ich da blöd draufgelegen, aber auf irgendeiner Seite muß ich ja liegen.

Ich laufe also ein bißchen planlos herum, packe ein paar Rezensionsexemplare ins Leinensackerl, die ich für Euch da draußen probelesen werde, damit ihr Euch unschöne Lektüren ersparen könnt und gute Lektüren zu Euch finden mögen. Dann plane ich ein bißchen Entspannungsprogramm ein: Kino! Buchmessekino nämlich. Dunkel, sitzen, keine Massen, die vor einem herumschleichen. Optimale Tagesplanung.

Im Kino wird heute „Houwelandt – Ein Roman entsteht“ gezeigt, ein Dokumentarfilm von ZDF, 3Sat und Bayerischem Filmförderfonds. Hauptperson ist: Der Autor, und zwar John von Düffel, den die Kamera in dunklen und lichten Momenten dabei beobachtet, wie sein Familienroman – nein, Generationenroman, oder was schreiben wir jetzt in die Werbung? – entsteht.

Houwelandt Vom Wasser

Anfangsszene: Düffel erklärt Verleger und Lektor, in diesem Falle des DuMont-Literaturverlags, die ersten Ideen. Dann: Schreiben, schreiben, schreiben, schwimmen, korrigieren, umschreiben, schwimmen, weiterschreiben. Die Kamera guckt direkt über die Schulter, hinein ins Word-Dokument, Buchstaben entstehen, werden gelöscht, entstehen aufs Neue. Möglichkeiten stehen nebeneinander, Entscheidungen werden getroffen. Lektoren argumentieren und geben Geschmacksurteile ab. Der Titel: Ja, nein, ja, geht nicht, überstimmt, geht also doch: Houwelandt. Zugfahren, Schwimmen, Joggen, weiterschreiben.

Lange geht das so, bis plötzlich die Außenwelt auf das Manuskript losgelassen wird. Graphiker diskutieren Umschlagentwürfe, dann wieder der Lektor, die Korrekturleserin, Papa Düffel, alle machen sie Vorschläge, finden Fehler oder Formulierungen zu maniriert. Neue Umschlagentwürfe, dann ist es gefunden: Das ideale Umschlagbild, mit dem alle zufrieden sind.

Dann die Presse. Familienroman? Generationenroman? Was ist stärker – und gibt es da überhaupt einen Unterschied? Werben mit dem Autor? Mit dem vorvorletzten Buch des Autor, an das sich noch alle erinnern? Autorenphotos: Netter Nachbar von nebenan. Bloß keine Denkerstirn. Was also schreiben wir in die Werbung? Was erzählen wir den Vertretern? Der Vertriebschef ist klasse, ein Gesicht wie ein Wilde-Portrait von Beardsley, der verteidigt den Roman, schmeißt allen Leseexemplare ins Kreuz, redet, redet, redet. Dann ist der Roman in den Läden, und es passiert – nichts.

Ein erschöpfter Autor, das Buch ist da, aber keine Sau will Interviews, Elmar Krekeler zerrupft vor Sperrfrist. Frust. Schwimmen, warten, joggen. Die Pressefrau hat extra noch Leseexemplare an Frau Heidenreich geschickt, weil Houwelandt nicht auf ihrer offiziellen Sommerurlaubs-Leseliste stand. Da macht man sich schon Sorgen. Waren aber unbegründet. Denn nach dem Sommerurlaub der Elke H. hängen alle vor der Glotze: Der Verleger jubelt schon beim ersten Satz: Starker Satz! Und während Frau H. noch empfiehlt, wird schon mitgeschrieben, herumdiskutiert, der bestmögliche Blurb hinoptimiert. Da ist es, das Wunder, das Buch erklimmt die Spiegel-Bestsellerliste, die im Verlagsflur hängt, dick angemarkert Düffels Buch. Der ist befremdet, absolviert Lesungen, sitzt in Hotelzimmern und wird auf der Buchmesse belagert. Überhaupt die Buchmessesequenzen: Da weiß man, daß das, was man da gerade sieht, jetzt im Moment draußen um einen herum passiert. Und Dirk Wittenborn ist auch da, also im Film, und dann ist Goethe-Institut und dann ist New York.

Man denkt ja immer, daß es immer weiter geht und besser wird, aber das ist es jetzt, Vermutlich ist das jetzt mein größter Erfolg, und lange kommt nichts mehr, sagt John von Düffel. Er ist wieder in seiner Schreibklause, der vorher zugestellte Schreibtisch ist aufgeräumt, die Fenster werden auch endlich mal geputzt. Das war es, und was danach kommt, weiß kein Mensch. Ein neues Projekt. Aber der Film ist erstmal aus.

Prädikat: Unbedingt gucken, wenn mal wieder im Programm.

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Ein Kommentar

  1. Paperback Fighter Says:

    Ja, unbedingt sehenswert. Aber auch das Kontrastprogramm.

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