Reich-Ranicki: „Das erste Mal, daß ein Schriftsteller droht, mich zu verklagen“
Auch wenn wir das Interview nicht wörtlich wiedergeben können, so wissen wird jetzt dank „Die Welt“ etwas mehr:
Von der Illustrierten „Bunte“ auf Martin Walsers Roman „Tod eines Kritikers“ angesprochen, gab Marcel Reich-Ranicki seiner alten Kritiker-Leidenschaft nach, Konflikte nach Kräften zuzuspitzen: „Er (Martin Walser) verübelt Juden, daß sie überlebt haben“, diktierte er den Journalisten in die Notizblöcke. „Das ist durchaus kein Antisemitismus, das ist schon Bestialität.“ Diese Äußerung will Walser jetzt mit juristischen Mitteln verbieten lassen und hat Reich-Ranicki über seinen Anwalt eine Unterlassungserklärung zugeschickt. Anders als von der „Neuen Zürcher Zeitung“ gemeldet, hat sich Reich-Ranicki jedoch noch nicht entschieden, ob er sich dieser Forderung beugen und seine Behauptung künftig nicht mehr wiederholen wird. Er läßt das Schreiben Walsers erst einmal von einem Anwalt prüfen. Fest steht für Reich-Ranicki allerdings jetzt schon: „Ich bin über 50 Jahre Kritiker. Aber das ist das erste Mal, daß ein Schriftsteller damit droht, mich zu verklagen.“ DW
Hm, es gibt viele Autoren, Dichter, Schriftsteller, die MRR noch so gern verklagen würden. – Sie fürchten allerdings die Kosten…
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02.11.2005 um 14:31 Uhr
Vielleicht hat er ja auch zum ersten Mal seit 50 Jahren so richtig daneben gegriffen.
Kann da nicht mal jemand die NOTBREMSE ziehen? Teofila? Sie scheint sehr nett zu sein.
02.11.2005 um 14:55 Uhr
hm, ich weiss nicht, ob sie nach allem, was sie durchgemacht hat, ihrem Göttergatten widersprechen will
02.11.2005 um 15:51 Uhr
Naja, ein Kritiker urteilt über Bücher und gibt Meinungen ab. Sobald man aber Meinunge über menschen abgibt, können die an Beleidigung grenzen oder eben eine Darstellen.
Oder sie könne auf unwahren Tatsachenbehauptungen beruhen. Wie gesagt: ich hab den Text nicht im Kopf aber eien Figur ‚Martin Walser‘ kommt in dem Buch nicht vor, dei was behauptet haben könnte 😉
02.11.2005 um 16:32 Uhr
Nein, es gibt dort nur eine Figur, die Martin Walser, Nemo oder Omnes sein könnte – aber vielleicht definiert man als Buchkritiker die Aussagen einer Figur über deren Erfinder…
02.11.2005 um 21:40 Uhr
Also, MMRs Aussage finde ich einfach nur daneben gegriffen. Auch dieser Mann sollte sich daran gewöhnen, dass es unterschiedliche Meinungen gibt und nicht nur seine.
Kann es sein, dass Kritiker am wenigsten einstecken können, obwohl sie ständig am austeilen sind?
02.11.2005 um 23:26 Uhr
@Ina: Es geht ja darum, dasS walser einige Äußerungen auch schon früher unterstellt wurden, dei seine Figuren tun.
Natürlich hasst walser MRR Und einige andere auch. Weuil MRR Leute „hingerichtet“ hat, nicht nur als Autoren sondern auch als Mitarbeiter von Zeitungen.
Hermann Kinders Becshreibung seiner Hinrichtung ist in seinem Sammelband ‚Von gleicher Hand‘ sehr schön nachzulesen.
http://www.amazon.de/dp/3861420333/?tag=carpecom-21
Meine Rezi davon hier: http://oliver-gassner.de/presse/presse_kinder_hand_rezi.html
Zur Abscheu vor MRR gibt es auch in „Tabu I“ von – ach es ist zu Spät am abend – Lyriker, Dings… passende Szenen… MRR hält sein ganzes Umfeld offenbar für d***.
03.11.2005 um 5:49 Uhr
wobei mir MRR immer ein ausgezeichneter ratgeber war. ich finde es schade, dass er aktuelle autoren roman nicht rezensiert. er bräuchte einen vorleser, der ihm die pop- und die befindlichkeitsliteratur rausfiltert und dann soll er sechs zeitgenössische deutsche bücher lesen. mir fehlt seine stimme.
andererseits hat er ein recht dazu, GAR NICHTS mehr zu lesen.
03.11.2005 um 7:15 Uhr
da stimme ich dir zu. Allerdings wünschte ich mir, er würde sich mit Netzliteratur befassen
03.11.2005 um 10:02 Uhr
Langsam (aber sicher) entgleist das zur Abrechnungsorgie eines Kritikers gegen einen Autor. Da müssen im Hintergrund etliche private Verletzungen stattgefunden haben, die eigentlich so nicht ins Öffentliche gehören. RR sollte sich mit Literatur befassen, nicht mit den Autoren persönlich. Ích kann diesen einst sicher begnadeten Kritiker längst nicht mehr ernst nehmen, wie er eben längst nicht mehr das Maß aller (Literatur) Dinge ist. Er will hier nicht einen Autor vernichten, sondern einen Menschen, und das ist schändlich.
03.11.2005 um 10:57 Uhr
Ja gut, aber „Tod eines Kritikers“ hat ihm sicherlich auch keinen Spaß gemacht. Reich-Ranickis Diktion ins Lächerliche zu ziehen, war auch unter Niveau.
Sie sollten sich einfach aus dem Weg gehen. Und der Walser bitte schön dem ganzen Themenkomplex. Er ist so unvernünftig!
03.11.2005 um 11:14 Uhr
MRR scheint einzulenken.
03.11.2005 um 11:55 Uhr
Na bitte.
Das war wahrscheinlich das letzte Bunte-Interview, das er gegeben hat.
So wie ich das gelesen habe, haben sie gar nicht auf seine Antworten reagiert (IM Interview). Da muss man nämlich normalerweise gleich moderierend eingreifen.
03.11.2005 um 12:24 Uhr
TeK hin oder her; doch weshalb sollte es „unter Niveau“ sein, die Sprechweise eines Kritikers zu porträtieren? MRR ist doch auch von Komikern schon oft parodiert worden, und niemand fand das verwerflich. Ich habe TeK zweimal gelesen, in der berühmten PDF-Version wie in der Druckfassung; und daher weiß ich, was ich sage, wenn ich sage:
daß der Wirbel um das Buch dem Text kau gerecht wurde, kommerziellen Interessen dafür um so mehr.
Die Medien haben einen großen Anteil daran, daß der Streit der beiden alten Herren immer weiter eskalisiert. Gegen beide wurde jahrelang gehetzt. MRR war und ist der Sündenbock vieler beleidigter Autoren und jüngerer Kritiker, die sich profilieren wollten und wollen; und auf Walsers Kosten kann man sich nicht minder gut als aus ausgewiesen politisch korrekter Literaturwissenschaftler profilieren. Anläßlich der letzten Bremer Walserlesung (noch vor TeK) habe ich mit einigen aufgeregten Studenten gesprochen, die Flugblätter gegen ihn verteilten und die Bühne stürmten. Alle gaben zu, noch nie etwas von Walser gelesen zu haben außer der Paulskirchenrede; doch alle wußten sehr genau, daß Walser „ein Nazi“ sei.
Ich hege schon lange die Vermutung, daß der Haß vieler Jüngerer auf den Kritiker MRR einserseits wie auf Walser andererseits eine nicht zu unterschätzende psychologische Dimension hat: beide Kontrahenten nämlich gehören derselben Generation an; sie sind Vaterfiguren. Zudem handelt es sich um einen Streit, der hauptsächlich von Männern geführt wird. Und wie gebrochen das Verhältnis der meisten Männer zu dieser Vätergeneration ist, wissen wir ja schon lange. Insgesamt, so scheint es mir, werden beide Herren von nicht eben wenigen jüngeren unbewußt als Projektionsfläche benutzt. Dies sollte man MRR und Walser klarmachen. Der lachende Dritte nämlich sind, noch einmal! die Medien, die Anwälte und diverse Studenten, die nun ein wunderbares Thema für ihre Examens- oder Doktorarbeit gefunden haben. Das Ergebnis der meisten Untersuchungen steht selbstverständlich schon jetzt fest: MRR war nie ein seriöser Kritiker, Walser nie ein seriöser Autor. Für beides lassen sich zuhauf Belege finden. Aber beides ist eben nur ein Teil der Wahrheit. Und in Deutschland war es ja schon immer allerhöchste Mode, mit Scheuklappen zu denken.
Kurz: Es wird höchste Zeit, daß die Kritiker des einen wie des anderen einmal ihre Motive überdenken, anstatt
die beiden Alten noch weiter gegeneinander aufzuhetzen. Sie beide nämlich sind, jeder auf seine Weise und jeder gewiß nicht ohne eigenen Schuldanteil, zu Opfern des Literaturbetriebs geworden.
03.11.2005 um 16:05 Uhr
ich weiss nicht, ob man sagen kann, ein Autor oder ein Kritiker sei seriös, es sei denn man ersetze seriös durch glaubwürdig. Doch auch das bereitet einige Mühe. Sowohl MRR als auch MW haben sich zu öffentlichen Personen gemacht; vieles von dem, was sie sagen, ist PR; ihr Verhalten soll ihrem Image entsprechen…
Die Medien nun haben kein Interesse an einem Hinterfragen der Motive der beiden und es ist nicht ihrem Sinn, die beiden zu beruhigen und zum Nachdenken anzuregen. Ein MW, der sich mit MRR versöhnen würde und umgekehrt, gäbe keine Schlagzeile mehr ab.
03.11.2005 um 19:18 Uhr
So isses. Und genau das ist das Allerschlimmste an der Geschichte. Ich würde gern zwischen den beiden alten Jungs veritteln, die ich immer mehr an meinen Vater und dessen Bruder erinnern. Die haben sich noch kurz vor ihrem Tode darüber gestritten, ob ihr Vater in den 40er Jahren beiden eine Armbanduhr geschenkt hat oder nur einem von ihnen. Daß aber diese eine Armbanduhr oder beide Armbanduhren vermutlich geraubtem jüdischem Besitz entstammten, war kein Thema, weil sie
das Ungeheuerliche nicht wahrhaben wollten. Und beide sind gestorben, ohne begriffen zu haben, was sie hätten begreifen müssen.
Martin und Marcel wiederum sollten begreifen, daß sie nur der Sensationsgier und allen, die davon profitieren, einen Dienst erweisen, wenn sie sich weiterstreiten. Was sonst noch begriffen werden sollte, habe ich eben in meinem bereits angekündigten Artikel darzulegen versucht: auf die Gefahr hin, mich in ein Wespennest zu setzen. Es geht um MRR und Walser und Karaseks Rolle in dem nun wieder entbrannten Streit; aber auch um die Rolle derer, die sich am Feuilletongezänk beteiligen oder es mit Lust verfolgen und sich nicht daran erinnern können, was vor 10 Jahren war. Damals nämlich … ich sach nur: Lesen!
03.11.2005 um 21:30 Uhr
Mein ‚m‘ klemmt. Aber zum Glück nicht meine Synapsen.
03.11.2005 um 23:22 Uhr
hm, diesen Eindruck hatte ich nachgerade nicht
03.11.2005 um 23:24 Uhr
o, obiges bezieht sich auf das „m“
04.11.2005 um 1:28 Uhr
Danke. Aber bist du dir sicher?
04.11.2005 um 10:54 Uhr
was heisst schon: sicher? 😉
27.11.2006 um 18:00 Uhr
Ja, so ist das, wenn zwei alte Selbst-Beweihräucherer und Wichtigtuer sich öffentlich streiten.
Dann bibbert und zittert die Welt mit …