Dienstag, 10.04.2007 | 19:16 Uhr
Autor: Jochen Heller
Eine Antwort auf das vorherige Posting. Als Kommentar vielleicht zu lang.
Ich glaube das Thema Preisbindung war seit es sie gibt schon ein schwieriges. Für mich ist die Frage nicht so sehr, ob die großen sie zu sehr für sich ausnutzen, sondern ob es eine Alternative gibt.
Als Buchhändler lernt man in der Regel ihren Wert schätzen. Ob nun im Sammelrevers damals, oder seit fünf Jahren per Gesetz geregelt. Genauso lernt man die Wettbewerbsregeln, die Verkehrsordnung und das Spartenpapier kennen, in denen die Verhaltensgrundsätze der verschiedenen Wettbewerbsteilnehmer umrissen sind. Der ein oder andere lernt sie auch schätzen. Ein schönes Beispiel angewandter Wirtschaftsethik.
Stelle ich mir vor, die Preisbindung würde gekippt, wären die finanzstärkeren den -schwächeren Buchhandlungen nach wie vor überlegen. Denn sie könnten immer noch größere Massen einkaufen und damit die kleineren Buchhandlungen unterbieten.
Gut, die kleineren Buchhandlungen erhalten aufgrund der geringeren Absatzmenge weniger Rabatt. Aber wenigstens können sie nicht von ihren großen Konkurrenten unterboten werden. Eine Konzentration im Buchhandel würde so oder so statt finden. Sie wird letztlich nur ausgebremst durch die Preisbindung.
Verhindern ließe sich die Konzentration theoretisch schon eher, wenn die drei Sparten des Buchhandels, Herstellender Buchhandel, Zwischenbuchhandel und Sortiment, sich wieder stärker dem eigenen und gegenseitigen guten Auskommen hingeben würden, als ausschließlich gewinnorientiert zu denken.
Eine Buchhandelskette verlangt unauskömmliche Rabatte, der Verlag muss ihn nicht gewähren. Der Verlag will aber seine Bücher los werden. Also gewährt er sie. Kleine Buchhandlungen schließen überall, große verdrängen sie, der Absatzmarkt für die Verlage sinkt, weil ihnen Barsortimente und Großbuchhandelsketten bleiben, die, ja das ist richtig, die höchsten Rabatte erhalten.
Ein Druckmittel der großen Ketten ist einem Verlag zu drohen, ihn nur noch über den Großhändler, das Barsortiment zu beziehen. Um ehrlich zu sein, ich weiß gar nicht, wieviel Verlust das dann für den Verlag letzlich bedeutet. Sagen wir, die Kette verlangt Partiestücke, Valuta, Skonto und 48 Prozent Rabatt. Errechnet sich erstens ein krimineller Effektivrabatt – irgendwann habe ich einmal gelernt, dass dem Sortiment kein höherer Rabatt als dem Barsortiment gewährt werden darf – und kommt zweitens der Verlag wegen des verschobenen Zahlungszieles ins Schwimmen, dann kann es ihm doch sogar recht sein, lieber den steigenden Barsortimentsumsatz in kauf zu nehmen. Ich müsste jetzt nachlesen, ob da nicht vielleicht eher die Frage nach einer Novellierung des Gesetzes gestellt werden müsste.
Ich denke mir das jetzt relativ naiv, da ich selbst im Sortiment und nicht im Vertrieb stecke.
Jahresumsatzpauschalen werden erst einmal vom Verlag vorgegeben. Kann sein, dass die großen Spieler da auch noch ganz eigene Staffeln ausbaldowern, aber wenn der Umsatz nunmal mit einer Buchhandlung erzielt wird, dann ist es klar, dass man in der Staffel nach oben rutscht.
Was ich sagen will: Ob mit oder ohne Preisbindung, die kleinen Buchhandlungen und auch die kleinen Verlage werden es so oder so schwer haben, sich gegen die Großen durchzusetzen.
Es ist eine Mentalitätsfrage, eine Frage der Vernunft und eine Frage des ethischen Denkens in der Wirtschaft, ob die großen die kleinen frühstücken und verdrängen. In jeder Wirtschaftssparte. Wobei ich natürlich auch zugeben muss, dass Wachstum auch Zwänge mit sich bringt. Eine gewisse Profitorientierung bringt das mit sich, um sich selbst erhalten zu können. Und trotzdem:
Im Buchhandel, verbreitend wie herstellend, gibt es die, denen es um den größtmöglichen Profit und jene, denen es um die Verbreitung der Bücher, vielleicht sogar, des „Kulturgutes Buch“ geht. Schließlich: „books are different“.
Aber dort, wo rein kapitalistisches Denken, das muss man so sagen, langfristig gesehen wirtschaftlich muss dieses Denken im Ganzen nicht sein, also wo sich rein kapitalistisches Denken durchsetzt, wird es über kurz oder lang immer zu Konzentration kommen.
Nur, zur Zeit schützt die Preisbindung nach wie vor die Kleinen. Sie haben es immer schwer. Als der Buchhandel aus vielen Kleinen und nur wenigen Großen bestand, war es sehr kuschelig. Nun haben wir in erster Linie Thalia, Hugendubel/Weltbild und auch die Mayersche als Riesen in Deutschland. Mit dem Fall der Preisbindung könnten auch noch Karstadt, Kaufhof und welche großen Häuser es noch so gibt viel mehr Spaß an dem Geschäft bekommen.
Dann gibt es gar kein Halten mehr. Auch keine kleinen Verlage, die immer noch von der Preisbindung profitieren.
Also, nach wie vor, vielleicht ist mein Blick als gelernter Buchhändler eingeengt, aber nach wie vor überzeugen mich die Argumente der Preisbindungsgegner nicht.
Tags: buchhandel, preisbindung, Spartenpapier, Verkehrsordnung, Wettbewerbsregeln
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09.05.2007 um 10:25 Uhr
In der deutschsprachigen Schweiz ist die Preisbindung am 2. Mai ‚vom Tisch gefegt worden‘,… mal sehen was dort aus dem Buchhandel und Autoren wird…
http://www.sbvv.ch//cgi-bin/swiss_web.exe/show?page=swiss_texte.html&text_id=16&navipage=swiss_start_navi.html
… der SBVV (schweizer buchhaendler und verleger verband) schaetzt das ‚ein grossteil der buecher deutlich teurer wird‘.
14.05.2007 um 22:17 Uhr
Ja. Das ist jetzt ein interessantes Versuchsfeld. Allerdings, soweit ich gehört habe, versucht man noch weiterhin es durchzubekommen, wie in Deutschland, das Sammelrevers in ein Gesetz packen zu dürfen.
Man wird sehen, wie es sich entwickelt. Als Gegenargument steht, dass in den nicht-deutschsprachigen Teilen der Schweiz die Buchpreisbindung auch nicht gelte, die Literaturlandschaft der deutschsprachigen Schweiz aber in nichts nachstünde. Wobei dann wieder die Frage wäre, inwieweit der – vermute ich mal – kleinere Markt der Schweiz (im Hinblick auf den Vergleich) als Modell für unseren Buchhandel herhalten kann.
Interessant ist die Entwicklung auf alle Fälle. Es war kein Schock, die Entwicklung bahnte sich ja schon eine ganze Weile an. Aber ein „Ups, jetzt ist es also soweit.“ entfuhr mir dann doch.