Montag, 15.12.2008 | 11:57 Uhr

Autor: molosovsky

Max Brooks: »Weltkrieg Z. Eine mündliche Geschichte des Zombiekrieges«

Der Amerikaner Max Brooks (*1972) hat es mit seinem »World War Z. An Oral History of the Zombie War« vollbracht meinen respektvollen Neid und somit meine Begeisterung zu entfachen (›Warum ist mir das nicht eingefallen!‹), indem er die in den letzten Jahren schier unübersichtlich angewachsene Epidemie von Zombiestoffen um ein grenzgeniales Meisterstück bereicherte.

Zombies: diese herzig-schaurigen Mob-Monster haben sich etwa mit dem Beginn des neuen Milleniums wunderbar zu einer Großmetapher für Spannungen und Probleme der so genannten Globalisierung gemausert. Wir erinnern uns: die ›klassischen‹ Zombies ab den Fünfzigern/Sechzigern waren ziemlich träge und ließen sich prima als phantastische Horror-Illustration für willenlose Konsumenten- und Konformations-Trägheit deuten.

Moderne Zombies aber rennen geschwind den lebenden Hirnträgern nach (wie im Remake von »Dawn of the Dead«, oder in »28 Days Later«), und entwickeln sogar Ansätze von Kooperation und Deduktion (wie in »Land of the Dead«). Verschiedentlich wurden diese neuen, wütenden Zombies durchaus einleuchtend als Metapher für ebenso zornige Globalisierungskritiker gedeutet. Jedoch, finde ich, ist darin eine interessante Doppel- wenn nicht Vieldeutigkeit verborgen, denn Zombies können eben für alles mögliche stehen: willenlose Hinterherläufer (›Keiner will denken, aber alle wollen Menschenfleisch fressen. Ich auch.‹), wütende Rebellen (›Wir sind die ehemaligen Konsummondkälber die wegen schlechter Arthaltung jetzt mit Tollwutgeifer zurückbeißen‹), entmenschlichte Egoisten (›Schießt ruhig. Hauptsache, ich krieg Menschenfleisch‹) und und und.

Bei Max Brooks bleiben die Untoten zwar eher dem klassischen Zombie-Bild treu, aber seine dolle Idee, mit der er dem Genre enorm viel Neues abgewinnt, wiegt das locker auf (wobei ich zweifele, dass es überhaupt einen gröberen Makel bei »World War Z« gibt, den es wett zu machen gilt). Normalerweise spielt die große, nation- oder weltweite Untoten-Pandemie eher eine dekorative Rolle im Hintergrund von Zombie-Stoffen. Üblicherweise begleitet eine Zombie-Fabulation eine Handvoll Menschen über einen kurzen Zeitraum, wie die sich meist eher schlecht als recht in einer Welt durchschlagen, -ballern, und -schnetzeln, in der plötzlich die Toten mit großem Hunger herumwackeln.

Brooks erklärt im Vorwort von »World War Z«, dass er ca. 20 Jahrew nach dem offiziellen Ende des großen Zombie-Krieges von den Vereinten Nationen beauftragt wurde, einen Bericht über selbigen zu schreiben. Allerdings haben seine Vorgesetzten gemosert, sein Manuskript enthielte zu viel ›menschelnde Anteile‹, man wolle nur die harten, kalten Fakten, die Zahlen. Aber keiner würde Brooks verbieten, das Material seiner Interviews in einem eigenen Buch zu verarbeiten. Dieses Buch halten wir Leser nun in Händen. Brooks nimmt sich selbst zurück und präsentiert uns in 52 Studs Terkel-artigen Interview-Transkripten eine ungewöhnlich facettenreiche Geschichte des weltweiten Zombiekrieges.

Auch ohne Zombies böte Brooks Buch genug Grusel, denn es scheut sich nicht, konkrete Mißstände zu beschreiben, die auf enthemmtem Nutzen des globalen Handels- und Kommunikationsnetzwerkes gründen. Das zeigen schon einige Interviews der ersten von acht Abteilung (»Warning« / »Vorzeichen«) des Buches. So hat die Zombie-Seuche hat ihren Ursprung irgendwo im Herzen Chinas. Die ersten Untoten stiegen vermutlich aus den Wassern eines Stauseegebietes; einem jener Energie- und Fortschrittsgewässer, die den wachsenden Energiebedarf Chinas sichern sollen. Die Chinesen halten die Zombies, wie die gegen sie gerichteten Säuberungsaktionen, natürlich erstmal geheim. In einem anderen Gespräch schildert dann ein Skrupelloser Arzt, wie auf der anderen Hälfte der Welt, in Rio, ein tiefgefrorenes, chinesisches zombievirus-tragendes Spender-Herz (für einen riechen Österreicher über eine Schwarzmarkt-Connection aufgestöbert), für den ersten Zombie in Brasilien sorgt (nebst gewaltvollem Ableben des arroganten Cardiologen).

Was mich nun aber aufregt: Der deutsche Titel (»Wer länger lebt, ist später tot – Operation Zombie«) mit dem der Goldmann-Verlag das Buch bei uns verlegt, legt irrigerweise nahe, dass man es zuvörderst mit einem locker-schwarzhumorigen Schmunzel-Witzebuch zu tun hat. Auch wenn Humor in Max Brooks Zombie-Buch durchaus hie und da aufblitzt (kein Wunder, ist er doch der Sohn von Mel Brooks und Anne Banecroft), handelt es sich dabei doch mehr um bitter-galligen Humor.

Sicher ist, dass Brooks für alle Horror- und Zombiefans exquisiete Schock- und Grusel-Passagen bietet. Aber wirklich erschütternd ist die Konfrontation mit den von Brooks vorgeführten menschlichen Abgründen. Zum Beispiel, wenn gerissene Geschäftemacher zu Worte kommen, welche die Furcht vor den Zombies ausnutzten um Geld zu scheffeln; wenn frustierte Soldaten schildern, wie ihr Kampf gegen eine heranrückende Millionenhorde an Untoten wegen schwachsinniger Planung scheiterte. — Am unheimlichsten ist vielleicht, dass »World War Z« so manche dunkle Ahnung und Stimmung zum Ausdruck bringt, wie es zuginge, (oder in absehbarer Zeit zugehen wird), wenn die zivilisatorischen Polster und Zügel verschwinden, und unzählige Menschenmassen sich wegen virulent ausbreitenden Fanatismen, wegen knapper werdenden Ressourcen und Überlebensräumen, wegen steigendem Wasser panisch gegenseitig an die Gurgel gehen. — Kurzum: Ein vielseitig unterhaltsamer Zombie-Titel, der wegen seiner gesellschaftlichen Sensibilität und seines ›menschlichen Faktors‹ auch für Nicht-Zombie-Fans empfehlenswert ist. Ein wundervolles Beispiel dafür, wie man mit phantastischen Großmetaphern spielerisch und zugleich engagiert über die tatsächliche Welt sprechen kann.

Eine etwas längere Version dieser Empfehlung kann man in der Molochronik lesen.

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Max Brooks: »World War Z – An Oral History of the Zombie War« (2006), 342 Seiten; 58 Interviews in 8 Abschnitten mit einer Einleitung und einer Illustration von John Petersen. Paperback Edition, Three Rivers Press; ISBN: 978-0-307-34661-2.
Max Brooks: »Wer länger lebt, ist später tot – Operation Zombie« (2007), übersetzt von Joachim Körber, 448 Seiten. Goldmann Taschenbuch; ISBN: 978-3-442-46539-2.

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