Sonntag, 23.03.2014 | 18:20 Uhr
Autor: Andrea Brücken
Es hat sich nicht in einem Rutsch gelesen, dieses Buch aus der Sicht eines 14-Jährigen, der sich von heute auf morgen im Kampf gegen den Krebs befand. Nino Rauch war Leistungssportler, zielstrebig, stark, jung. Die ersten Symptome seiner Erkrankung hätte er selbst nur zu gerne ignoriert, dem beherzten Vorgehen seiner Mutter bei der Ursachensuche war die schnelle Diagnose zu verdanken: ein Lymphdrüsenkrebs im oberen Rachenraum.
Krebs also.
Krebs ist ein Schreckenswort. Krebs bedeutet, einen Feind im Körper zu haben. Krebs bedeutet eine gravierende Veränderung der Lebensumstände, Angst, Ohnmacht, Schwäche und langes Kranksein. Krebs rückt die Sterblichkeit in den Vordergrund, mit der wir uns zeitlebens ungern beschäftigen. In jungen Jahren verschwendet man in der Regel keinen einzigen Gedanken auf dieses Thema, alles liegt noch vor einem, man hat Ziele, Wünsche, Vorhaben, Ehrgeiz, Pläne.
Der Autor schildert den Krankheitsverlauf fast ausschließlich aus persönlicher Sicht, aus der Perspektive eines Pubertierenden, der nicht verstehen will, was mit ihm passiert. Vier Blöcke Chemotherapie bringen erschreckende Veränderungen mit sich: Gewichtsverlust, Muskelschwund, Schwächung des Immunsystems, dauerhafte Entzündungen im Körper. Essen verliert die Wertigkeit, wenn jeder Bissen unter Schmerzen geschluckt werden muss. Mehrfach täglich Blutuntersuchungen, permanente Müdigkeit und dauerhafte Übelkeit mit Erbrechen zermürben. Er zieht sich zurück, erlaubt kaum Besuche von Mitschülern, Lehrern, Familie.
Zwischendrin lässt Nino Rauch in kurzen Abschnitten Menschen, die im Kindesalter gleichfalls an Krebs erkrankt waren, ihre Geschichten erzählen. Er hat Interviews geführt: Knochenkrebs mit 16, Nierenkrebs mit 3, Hirntumor mit 12 und 10, Rückenmarkstumor mit 7.
Irgendwann wandelt sich der Kampf gegen den Krebs, der sich über die Ablehnung gegenüber behandelnden Ärzten, Pflegekräften und umsorgender Mutter äußert, in einen Kampf für sich selbst. Die Beschäftigung mit Vorbildern wie Lance Armstrong, der gleichfalls gegen die Krankheit kämpfen musste und Hermann Maier, der sich nach einem Unfall wieder auf die Teilnahme an einer Ski-Olympiade hochtrainiert hat, halfen Nino Rauch genauso wie die spezielle Therapie des St. Anna Kinderspitals.
Das Buch verursacht ein leichtes Unbehagen, man wünscht sich ein bisschen mehr Außenperspektive beim Lesen dieser Geschichte, die zwar ein Happy End hat, aber eben auch viele unschöne Momente. Das Mitgefühl erhält zunächst die Mutter, die Unglaubliches auf sich nimmt, um den Sohn zu unterstützen. Erst zum Ende hin, als Nino Rauch zurückblickt und sich selbst als gereift beschreibt durch diese extreme Erfahrung, atmet man leise auf. Gerade deshalb muss man den Verlag loben, der mutig genug ist, so eine Lebensgeschichte zu veröffentlichen. Danken sollte man dem Autor, dass er sich schonungslos mitteilt, denn so ein Bericht kann anderen Betroffenen und deren Familien als Orientierung für den Umgang mit einer Krebserkrankung bei jungen Menschen dienen.
Nino Rauch
Leben ohne Ende – Wie ich als Kind den Krebs bezwang
2014, edition a, Wien
192 Seiten, 19,95 Euro
ISBN 978-3-99001-077-8
Cover: edition a Verlag
(Andrea Brücken)
Tags: Jugendliche, Krebs, Leben, Medizin
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