Donnerstag, 09.11.2006 | 22:12 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Einen Roman über den Terrorismus zu schreiben, liegt nahe. Aber dass ein solches Buch ausgerechnet von John Updike kommt, ist überraschend.
Schließlich hat Updike – mittlerweile 73 – bislang am liebsten über die Eheprobleme der Mittelschichts-Amerikaner geschrieben. In seinem neuen 400-Seiten-Werk „Terrorist“ wird alles anders. Fast jedenfalls.Updike beschreibt den Werdegang des 18-jährigen Ahmed zum Fundamentalisten, der auch seinen eigenen Tod in Kauf nehmen würde. „Fast“, weil es trotzdem einen schöne, aber für den Fortgang der Geschichte völlig unerheblichen Seitensprungs-Handlungsstrang gibt. Updike bleibt Updike.
Doch trotz solch unnötiger Abschweifungen ist das Buch gelungen. Es zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass nicht zwangsläufig alle zum Terror bereiten jungen Männer Monster sind. Sie können auch Opfer sein, die von ihrer familiären Situation, ihrer Umwelt ihren Freunden und Lehrern auf einen solchen Weg geraten. Wie Ahmed. Vom arabischen Vater im Alter von drei Jahren verlassen, wächst er bei seiner haltlosen irischen Mutter auf, die sich wechselnden Männerbekanntschaften hingibt. In der Schule ein Außenseiter, findet er nur Halt bei einem strengen Koran-Lehrer und später bei einem Job als Möbel-Auslieferungsfahrer. Doch die Firma entpuppt sich als terroristische Keimzelle …
Updike gelingt die Beschreibung des Milieus, in dem radikales Gedankengut gedeiht – im Gegensatz zu einem Amerika, das in diesem Buch mit seiner Oberflächlichkeit ebenfalls kein erstrebenswertes Paradies (mehr) darstellt und somit erst den Nährboden für den Terrorismus bildet. Ahmed sehnt sich nach mehr Sinn, nach mehr Religiosität in seinem Leben, als es seine amerikanischen Mitschüler vorleben.
„Terrorist“ ist viel gelungener als Updikes voriges Buch „Landleben“, das wir ebenfalls an dieser Stelle vorgestellt haben. Und das Ende ist sogar so spannend, dass es mühelos mit jedem Thriller mithalten kann. Empfehlenswert!
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10.11.2006 um 11:16 Uhr
Im Perlentaucher
http://www.perlentaucher.de/buch/24961.html
wurden ja sehr unterschiedliche Rezensionen zum „Terrorist“ von Updike zusammengefasst. Und ich war schon ganz unentschlossen, ob ich nun meinen ersten Updike einmal lesen sollte.
Die hiesige Beschreibung im Literaturwelt-Blog bestärkt mich nun, es vielleicht doch zu wagen. Danke.
10.11.2006 um 11:54 Uhr
Der „Terrorist“ ist kein typischer Updike. Lesern, die neu mit Updike starten, empfehle ich immer gerne den Rabbit-Vierteiler, beginnend mit „Hasenherz“ – und dann weiter mit „Unter dem Astronautenmond“, „Bessere Verhältnisse“ und „Rabbit in Ruhe“.
11.11.2006 um 16:08 Uhr
Danke für die ausführlichen Lektüretipps, aber gleich vier Updikes werde ich garantiert nicht in meiner Leseliste unterbringen.
Und vielleicht muss ich ja auch nicht den Typischen Updike mitkriegen, sondern lese einfach den, dessen Thema mich interessiert.
Aber, wie gesagt, vielen Dank für den Hinweis!