Montag, 15.04.2013 | 18:13 Uhr

Autor: Immo Sennewald

Hans Zengeler „Die größte Liebe aller Zeiten“

BlochIIDer vertraute Ton ist gleich da: Die Selbstironie des Romans „Traumtänzer“ von 1993, der sich und andere gern ins erzählerische Spiegelkabinett hinein lockt, ihm bei Alfanzereien zuzuschauen, der eigenen Zerrbilder gewahr zu werden, Alltagskleider in närrische Kostümierungen verwandelt zu sehen. Der „Traumtänzer“ drehte Anfang der 70er und 80er Jahre seine Pirouetten, Zengeler lässt nun dieses literarische Alter Ego als seinen Helden Joseph Bloch wieder auftreten im jüngst Vergangenen: 2009 erschien „Bloch I“, „Gestorben wird später“; wir erleben ihn als Alternden. Von Krankheit und Todesangst ins Bockshorn gejagt, findet er dank seiner Frau Ira heraus aus dem Lamento.

Als „Bloch II“ war der weiter führende Roman „Die größte Liebe aller Zeiten“ angekündigt. Er singt das Hohelied auf Ira, ist Ballade und Lobgesang für eine Frau, die vor allem zuhören kann, sich niemals nach vorne spielt, aber ein Gespür für Leiden, Bedürfnisse, Untiefen eines Mannsbildes wie Bloch hat – und eine schier unerschöpfliche Geduld.

Zengeler erzählt in „Die größte Liebe aller Zeiten“ zugleich die Geschichte einer Prüfung. Joseph Bloch wird während einer Reise Iras von Erinnerungen an ein kurzes, aber leidenschaftliches Verhältnis heimgesucht. Bevor er nämlich Ira kennenlernte, hatte er sich unsterblich vergafft, war er von Liebe auf den ersten Blick mit jener sprichwörtlichen Wucht des Blitzstrahls getroffen, von der Literatur seit je Hochspannungen ableitet. Im Jahr 86 taucht, während Traumtänzer Bloch, wieder einmal in prekärer finanzieller Lage, sich als Chauffeur verdungen hat, eine Literaturprofessorin des klangvollen Namens Clara auf, Clara Luzia gar, leider verheiratet mit einem Schwerreichen in Australien, dort Mutter dreier Kinder. Die beiden durchleben eine heftige Leidenschaft füreinander, sie kostet Bloch den Fahrerjob,erhebt ihn dafür in den Rang des Romanciers, auf die Bühne des Ruhms unter Berühmten beim Literaturkongress mit der Traumfrau an seiner Seite, von Applaus umtost. Ihr widmet er sein Werk, beide können sich nicht satthören am eigenen Liebesgestammel, bis der Tagtraum endet, sie wieder im Alltag landen: sie bei Mann und Kindern, Joseph auf einem Berg Schulden.

Von der Liebe bleiben Briefbündel, der Wahn verweht, Ira bietet dem am Weibe und am Literaturbetrieb verzweifelten Obdach und Halt, und während sich Joseph an all das noch einmal erinnert, vergewissert er sich seiner Entfernung zur „größten Liebe aller Zeiten“. Ich lese das als Bruch nicht nur mit der Professorin Clara Luzia, sondern auch mit dem Geschäft des Schreibens. Ich lese, dass sich die Maßstäbe für Größe mit dem Alter verschieben, die größte Liebe nicht die am feurigsten begehrte ist, sondern sich bis zum Ende beweisen muss, weniger an Ruhm und Applaus als an verlässlicher menschlicher Zuwendung und krisenerprobtem Humor. Dann freue ich mich, dass Hans Zengeler das Schreiben sowenig lassen wird wie ich – auch wenn, oder gerade weil wir beide immer wieder lieber Traumtänze aufführen, als uns mit halbwegs ruhigem Dasein als „Rentner mit Grundsicherungsanspruch“ abzufinden.

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