Montag, 10.12.2012 | 23:22 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Das neue Buch des britischen Schriftstellers Geoff Dyer besteht aus zwei voneinander unabhängigen Kurzromanen. Sie greifen die beiden Themen auf, die in der Literaturgeschichte wohl am häufigsten beschrieben wurden: den Sex und den Tod.
„Sex in Venedig“ heißt die erste Geschichte. Der abgehalfterte Journalist Jeff, der keine Lust mehr auf seinen Job hat, soll in Venedig über die Biennale berichten. Auf einer der vielen Partys trifft er Laura und verliebt sich heftig in sie. Die beiden haben Sex, pendeln von einer Party zur nächsten und von einem Drogenrausch zum nächsten. Für Kunst interessieren sie sich auch – aber nur am Rande. Die stellenweise hocherotische Erzählung entwickelt eine große Intensität und man begleitet als Leser gerne das verliebte Paar durch das sommerlich heiße Venedig – eine Stadt, die durch ihren morbiden Charme hervorragend zu einer Liebesgeschichte passt. Auch Thomas Mann hat die Stadt an der Adria bekanntlich schon als Kulisse für seine homoerotische Liebesgeschichte „Tod in Venedig“ benutzt. Die Ähnlichkeit des Titels dürfte kein Zufall sein. Natürlich ist „Sex in Venedig“ auch Kritik an einer Kulturszene, die eher an einem Bellini, dem Cocktail, als an der Kunst interessiert ist.
Das Kontrastprogramm erwartet den Leser in Teil zwei, „Tod in Varanasi“. Ein namenloser Ich-Erzähler berichtet von seinen Erfahrungen in der indischen Pilgerstadt Varanasi. Dort werden öffentlich Leichen am Ufer des Ganges verbrannt. Der Verkehr, der allgegenwärtige Dreck und das aggressive Betteln setzen dem Protagonisten enorm zu, doch er findet auch Momente von unglaublicher innerer Ruhe. Intensiv, wenn auch ganz anders als Teil eins, ist auch diese Geschichte. Beiden Erzählungen kommt ihre Kürze zugute. Dadurch wirken sie kompakter, geballter und spannender. Absolut empfehlenswert.
Geoff Dyer wurde 1958 geboren und mit zahlreichen literarischen Preisen ausgezeichnet.
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Geoff Dyer: Sex in Venedig, Tod in Varanasi.
Dumont, August 2012.
347 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
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