Dienstag, 12.06.2012 | 09:23 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Ein knorriger Ast, der halb im Wasser liegt und teilweise von Eis überzogen ist, ziert das Cover von David Vanns Roman „Die Unermesslichkeit“. Im Hintergrund sind tosende Wellen und die Ausläufer einer Landzunge zu erahnen. Das Bild gibt sehr gut die Atmosphäre wieder, die diesen Roman durchzieht. Es ist eine düstere Atmospähre, die gekennzeichnet ist von der Unerbittlichkeit der Elemente, der Kälte, von Wind und Wetter. Die Menschen, die unter diesen Bedingungen leben müssen, werden von ihnen geprägt.
Wir lernen Irene und Gary kennen, ein Ehepaar in den 50ern, das in einer Ehekrise steckt. Sie leben in Alaska am Meer. Gary, ein in sich gekehrter Mann, träumt davon, auf einer vorgelagerten Insel in einer selbstgebauten Holzhütte zu leben. Irene kommt mit Garys zugeköpftem Wesen und diesen Zukunftsplänen immer schlechter zurecht und fühlt sich durch die Ehe mit ihm um ihr Leben betrogen. Auch Tochter Rhoda hat Sorgen. Sie fühlt sich von ihrem Freund Jim nicht genügend geliebt, der seinerseits tatsächlich zeitweise nur den Sex mit einer jungen und attraktiven Touristin im Kopf hat.
Gary zwingt Irene, ihm trotz miserablen Wetters und völlig unzureichender Vorbereitung beim Bau seiner geliebten Hütte auf Caribou Island zu helfen, und so steuert das Paar einer Katastrophe entgegen, und es erscheint fraglich ob, Rhoda daran etwas ändern kann.
Das Buch des 1966 in Alaska geborenen Autors entwickelt eine eigenartige Sogwirkung, der man sich nur schwer entziehen kann. Wie ein eiskalter Sturm über dem Nordmeer wirkt es ungemein kraftvoll und rau. Fast meint man die klammen Finger der Lachsfischer beim Einholen der Netze auf kabbeliger See selbst zu spüren. Unbedingt empfehlenswert.
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David Vann: Die Unermesslichkeit.
Suhrkamp, April 2012.
351 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,95 Euro.
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