Freitag, 21.01.2011 | 14:31 Uhr
Autor: JosefBordat
Gerd Ganteför präsentiert uns seine etwas andere Sicht auf die Folgen der Erderwärmung
Der Klimawandel gilt als eine der großen existenziellen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Horrorszenarien dominieren die Rezeption des Phänomens. Die Delegierten des Kopenhagener Klimagipfels im Dezember 2009 wurden mit einem Schock-Video eingeschworen: Ein kleines Mädchen aus der Zukunft läuft hilflos in einer ausgetrockneten Gegend umher und bittet die Konferenzteilnehmer um Hilfe. Gebracht hat es nichts, doch die Zuschreibung von passierenden und möglicherweise kommenden Naturkatastrophen zum Klimawandel motiviert globale Aktivitäten – nicht immer so, dass es alle für ausreichend halten, doch das Handeln (oder zumindest das Verhandeln) zeigt: Ganz kalt lässt die Erderwärmung Niemanden, der in diesen Tagen politisch und/oder wirtschaftlich Verantwortung trägt. Zu groß ist die Gefahr für die kommenden Generationen.
Gerd Ganteför sieht die Sache anders. Der Phyiker von der Universität Konstanz will nichts davon wissen, dass wir mit dem Schicksal unserer Enkel va banque spielen. Er hält die Schreckensvisionen für verfehlt und zeichnet ein rosiges Bild von den Folgen der Erderwärmung (die er als anthropogenes Phänomen selbst nicht in Frage stellt). In seinem Buch mit dem schlichten Titel „Klima“ argumentiert er für Sachlichkeit und zeigt eine interessante Perspektive auf einzelne Fragen im Kontext der Thematik (etwa die Energieversorgung resp. -politik), mit der ein anderes Urteil über den Klimawandel möglich wird – vom Problem zur Chance. Klimawandel ist für Ganteför ein Wandel zum Guten. Seine Häme gegenüber dem allseitigen hysterischen Pessimismus kommt im Untertitel des Buches zum Ausdruck: „Der Weltuntergang findet nicht statt“.
Das macht neugierig. Gespannt folgt man der Argumentation, mit der Ganteför seine Kernthese („Die Folgen der Klimaerwärmung sind nicht katastrophal und bringen sogar einige Vorteile.“) untermauert. Er beschreibt die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen und denkt dabei in geologischen Zeitmaßstäben. Ziemlich bald, also noch in diesem Jahrhundert, verschwindet das Nordpol- und Gletscher-Eis „weitestgehend“, aber es wird auch weniger Stürme geben, da die Temperaturunterschiede zwischen den Klimazonen gering werden. In 100 Jahren wird es feuchter und wärmer sein als heute „und das wird weltweit zu besseren Ernten führen“. Mehr noch: „Die Sahara könnte wieder grün werden“. In 1000 Jahren wird dann auch Grönland grün. Trotz der Prognose, dass dann der Meeresspiegel „um rund 10 Meter“ höher liegen wird, mit der Folge, dass „einige tiefliegende Regionen“ voll laufen, ist der Physiker optimistisch: „Insgesamt wird der Lebensraum der Menschen sich [..] vergrößern“.
Ganteför ist kein Klima-Leugner. Zur Tatsache Erderwärmung und deren Ursache stellt er unmissverständlich fest: „Es ist in den letzten 100 Jahren um 0,7 [Grad Celsius] wärmer geworden. Die Winter sind milder geworden, die Gletscher tauen ab und der Meeresspiegel ist um 20 cm gestiegen. Die Erwärmung ist eine Folge des (zusätzlichen) Treibhauseffekts, den das Kohlendioxid verursacht, das der Mensch bei der Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle freisetzt. Dadurch erhöht sich der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre und der natürliche Treibhauseffekt wird verstärkt.“
Gleichwohl hält er Kohlendioxid-Vermeidungsstrategien für vergebens: „Es gibt kein Mittel gegen die Klimaerwärmung. Die Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle wird nicht aufhören, wahrscheinlich nicht einmal abnehmen. Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre wird daher weiter steigen und die Temperatur um mehr als 2 [Grad Celsius] zunehmen.“
2 Grad – das ist der Grenzwert des Weltklimarats (IPCC). Ganteför zeigt sich nicht nur skeptisch gegenüber dessen „offiziellen“ Szenarien zu den Klimawandelfolgen, sondern auch hinsichtlich dessen Arbeitsweise; er wirft dem IPCC indirekt selektive Wahrnehmung vor. Ferner kritisiert Ganteför die dramatisierende Darstellungsweise von Forschungsergebnissen, die dann – von den Medien aufgenommen – jene Untergangsstimmung hervorriefen, für die es keinen Anlass gebe.
Wenn es ohnehin keinen Sinn hat (ja: vor dem Hintergrund der genannten Vorteile gar nicht gut wäre!), gegen den Klimawandel anzusparen, wie sieht dann eine sinnvolle Energiepolitik aus? Ganteför benennt konkret acht Punkte, die vorsichtig gesprochen als „ökologisch unorthodox“ bezeichnet werden dürfen. So spricht er sich nicht gegen Kohlekraftwerke aus, soweit sie „emissionsarm“ seien, fordert moderne (also: neue) AKWs und hält nichts von Solarenergie („Luxusspielzeug“). Er ist skeptisch gegenüber Biotreibstoffen und Holzpellets und findet deren fiskalische Förderung kontraindikativ. Er fordert stattdessen Anstrengungen, um die Kernfusion als Lösung des Energieproblems verfügbar zu machen. Das Argument ist dabei die jeweilige Energiebilanz, die der Naturwissenschaftler vorrechnet. Man müsste wohl, um die Validität und Reliabilität der Daten und Zahlen zu prüfen, alternative Darstellungen zum Vergleich heranziehen. Denn: Dass in der Politik oft Emotionen den Sachverstand überlagern, ist nichts Neues, warum sollte es in der Energiepolitik anders sein? Doch: Dass Fachkollegen aus dem Bereich der Klimaforschung bisher zu ganz anderen Schlüssen kommen, macht das Ganteförsche Klima-Kalkül fragwürdig. Grobe Fehler habe ich nicht entdecken können und seine Argumentation klingt durchaus plausibel. Aber Zweifel bleiben.
„Klima. Der Weltuntergang findet nicht statt“ ist kein Lehrbuch für „ökorrektes“ Denken. Es rüttelt mit seinen steilen Thesen auf und besticht durch eine stringente Argumentation, die im Einzelnen zu verifizieren die Aufgabe des Fachdiskurses ist. Bleibt zu hoffen, dass es Ganteförs kontroverse Thesen genau dorthinein schaffen.
Bibliographische Daten
Gerd Ganteför: Klima. Der Weltuntergang findet nicht statt
Weinheim: Wiley-VCH (2010)
289 Seiten, EUR 24,90
ISBN-13: 978-3-527-32671-6
Josef Bordat
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28.01.2011 um 18:12 Uhr
Genau! So können wir bald auch in Norddeutschland Wein und Südfrüchte anbauen! Wozu also noch Strom sparen?
29.01.2011 um 22:14 Uhr
Hmm…so habe ich das bisher noch gar nicht gesehen… vielleicht sollte ich Grund und Boden für eine Bananenplantage im Harz erstehen?