Dienstag, 22.04.2014 | 08:23 Uhr
Autor: JosefBordat
Walter Kirchschläger zeigt, worauf es im christlichen Glauben ankommt: Kirche in Bewegung, Jesus im Zentrum. Dass er jene Dynamik und diese Orientierung der Christenheit so eng mit Papst Franziskus in Verbindung bringt, ist unhistorisch, aber verkaufsfördernd.
Papst Franziskus, soviel steht bereits nach dem ersten Jahr seines Pontifikats fest, wird die Kirche verändern. Denn er hat bereits die Wahrnehmung der Kirche in der Öffentlichkeit verändert. Viele Autoren entdecken plötzlich Aspekte des Christentums, die sie bei den als konservativ verstandenen Vorgängerpäpsten, insbesondere bei Benedikt, vermisst hatten: Einfachheit im Selbstverständnis, Demut im Auftreten, Herzlichkeit gegenüber den Menschen, Offenheit für die Probleme der Welt. Mit anderen Worten: Schwarze Schuhe, rote Schuhe.
Es lässt sich zwar mit relativ geringem Aufwand zeigen, dass es zwischen Franziskus und seinen Vorgängern keinen theologischen oder ekklesiologischen Bruch gibt, doch nehmen viele Autoren Franziskus’ Pontifikat zum Anlass, wahlweise die Umsetzung des Konzils, Veränderungen in strukturellen Fragen oder gleich die Einlösung echten Christentums in der Kirche einzufordern. Endlich, wie es dann heißt. So als sei die Kirchengeschichte bis zum 13. März 2013 nur eine Art Prolog gewesen. Die unbedarfte Leserschaft bekommt so den Eindruck vermittelt, als könne und müsse Papst Franziskus die Kirche zu Christus zurückführen. Das ist je nach Sichtweise unmöglich bis unnötig, in jedem Fall unhistorisch, denn es wird weder der Rolle Johannes Pauls II. noch der Benedikts XVI. gerecht. Und wenn wir weiter zurückgehen und uns die Geschichte der Heiligen, der Ordensgründer, der Missionare und auch der Päpste ansehen, wirkt es doch arg engstirnig.
So ist denn auch die explizite Bezugnahme des Theologen Walter Kirchschläger auf Papst Franziskus, den er durchweg „Bischof [von Rom]“ nennt, etwas ärgerlich. Wer ein Buch über das Wesen des Christentums schreibt (und dies über weite Strecken auch sehr überzeugend tut), sollte nicht zugleich suggerieren, dieses Wesen – nämlich in der Tat: Christus im Mittelpunkt – sei in irgendeiner Weise „neu“ oder auch nur „neu entdeckt“ worden. Bibel und Gebet, Nachfolge und Nächstenliebe, Gottesoffenbarung und Erlösungshoffnung sind keiner „neuen Dynamik“ geschuldet, wie sie der Verfasser seit dem 13. März 2013 in der Kirche erkannt haben will, sondern schlicht die Basis des zweitausend Jahre alten christlichen Glaubens. Hieraus „Impulse“ zu entwickeln für die gegenwärtige Situation der Gläubigen ist wichtig und richtig, sie allerdings mit einem Franziskus-Exponenten zu versehen, depotenziert sie paradoxerweise. Und das ist schade.
Besonders deshalb, weil Kirchschläger ein durchaus lesenswertes Kompendium christlichen Lebens vorlegt, das auch ohne (oder zumindest nicht ganz so aufdringliche) Bezüge zur Tagesaktualität der Kirche ausgekommen wäre. Der Verfasser gibt wertvolle Hinweise auf die Ausrichtung des Christen, für die es aber ursächlich weder ein Konzil noch einen bestimmten Papst braucht, nur Jesus Christus selbst. Kirchschläger sagt denn auch, Jesus Christus sei „der perspektivische Bezugspunkt, von dem her die Gottesgeschichte mit Welt und Menschen“ im Glauben der Kirche betrachtet werde, Er sei „jener grundlegende Ausgangs- und Bezugspunkt, von dem her ich mein Leben entwickeln und zu begründen versuchen kann“. Nur, dass der Verfasser eben zu glauben scheint, die Kirche sei erst durch das Konzil auf diesen Gedanken gekommen, so, als habe Jesus Christus nicht schon in aller Deutlichkeit von sich selbst als Bezugspunkt gesprochen („Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“).
Im Laufe seiner Darlegung argumentiert Kirchschläger jedoch insbesondere mit treffenden Bezügen zum Neuen Testament und insoweit konfessionsübergreifend nachvollziehbar. Er kommt zu sehr einleuchtenden Schlussfolgerungen und gibt konkrete Anstöße für das spirituelle Wachstum. Das alles geschieht kleinschrittig und in einfacher Sprache, was die Lektüre angenehm macht. Walter Kirchschläger legt ein Buch vor, das im autodidaktischen Studium des Gläubigen ebenso hilfreich sein wird wie es als Teil der Textgrundlagen für Glaubenskurse in der Erwachsenenkatechese dienen kann. Und das funktioniert, davon bin ich überzeugt, auch ganz ohne Fixierung auf „Bischof Franziskus“.
Bibliographische Daten:
Walter Kirchschläger: Christus im Mittelpunkt. Impulse für das Christsein.
Wien / Graz / Klagenfurt: Styria premium (2014).
192 Seiten, 19,99 Euro.
ISBN: 978-3-222-13446-3.
Josef Bordat
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