Samstag, 16.11.2013 | 12:54 Uhr

Autor: JosefBordat

Glaubensfreude, Lebensfülle

Georg Dietlein und Matthias Beck präsentieren zwei ganz unterschiedliche Annäherungen an den christlichen Glauben. Beide Texte sind auf ihre Art lesenswert.

Bücher über den christlichen Glauben gibt es reichlich: Theologen und Kirchenvertreter versuchen sich an allgemeinen Abhandlungen, Prominente erklären, warum, woran und wie genau sie glauben, Religionskritiker kritisieren beides. Zwei ganz unterschiedliche Arbeiten, die beide auf ihre Weise die Grundlagen des christlichen Glaubens darzulegen versuchen, sind unlängst im MM Verlag (Aachen) und im Styria Verlag (Wien) erschienen: Georg Dietleins „Glaubensbekenntnis eines jungen Christen“, das er unter den Titel Freut Euch! stellt, sowie Matthias Becks „Wege zur Fülle des Lebens“, die im Glauben zu erreichen sind, doch: Glauben – Wie geht das?

In beiden Texten geht es um das, was den christlichen Glauben ausmacht: die biblisch-theologischen Grundlagen, das Gottesbild, die sakramentalen Vollzüge religiöser Praxis und ihre Bedeutung, die ethische und soziale Dimension des Christseins. Doch die Autoren nähern sich diesen Einzelfragen unterschiedlich: Beck eher analytisch und um eine systematische Betrachtung bemüht, Dietlein in der Absicht, der allgemeinen innerkirchlichen Lethargie und der von außen auf sie einprasselnden Häme ein lebendiges, engagiertes Zeugnis aktiven Glaubens entgegenzusetzen.

So verschieden die Autoren sind – Beck ist ein arrivierter Moraltheologe und Professor an der Universität Wien, Dietlein steht erst am Anfang seiner akademischen Laufbahn, die sich gleichwohl vielversprechend anlässt! –, so verbindet sie doch ihr klares christliches Bekenntnis katholischer Prägung, mit dem sie beide den Anspruch erheben, in ihrem Gedankengang „nah bei den Menschen“ zu sein und deren ganz normale Fragen zu Gott, Glaube, Kirche und Religion in den Blick zu nehmen – ernsthaft, aber nicht steif, einfach, aber nicht banal. Dass dies gelingt, liegt an der Fähigkeit und Bereitschaft, die wissenschaftliche Expertise auf ein allgemeinverständliches Niveau herunterzubrechen (Beck) bzw. die jugendliche Begeisterung durch eine klug und kenntnisreich geführte Argumentation zu unterfüttern und dadurch nachvollziehbar zu machen (Dietlein). Damit werden die Texte nicht nur als Bestätigung für glaubensstarke Katholiken lesbar, sondern bieten auch wohlwollenden Kritikern und offenen Skeptikern die Chance zur Urteilsrevision.

Matthias Beck geht gedanklich von außen nach innen: Zunächst behandelt er allgemeine religionsphilosophische Fragen, um darauf die christlichen Antworten zu geben und zu zeigen, wie sich diese in Gestalt der Kirche sakramental manifestierten und welche Auswirkungen sie für den Einzelnen und die Gesellschaft haben. Schließlich führt er aus, wie sich das Christentum zur säkularen Welt verhält, also zu Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, hier insbesondere zu den Naturwissenschaften und der Medizin. Diese Diskussion zählt zu den besonderen Stärken des Autors, der in Theologie und Medizin promoviert wurde, und das entsprechende Kapitel zu den Höhepunkten des Buchs. Becks erfolgreich vertretenes Anliegen ist dabei, Glauben und Wissen nicht als sich gegenseitig ausschließende alternative Zugänge zur Welt anzusehen, sondern den jeweiligen Handlungsbereich von Religion und Wissenschaft zu identifizieren und ihre je eigene Orientierungsleistung anzuerkennen: Die eine Welt wird „mit völlig unterschiedlichen Methoden interpretiert“ – und das ist gut so, jedenfalls dann, wenn man wie Beck auf eine wissenschaftstheoretische Basis rekurriert, die den Geisteswissenschaften noch eigene Methoden zubilligt und ihnen damit zutraut, zu wertvollen Ergebnissen zu gelangen, zu der aber ebenso die Erkenntnis gehört, dass die neuzeitliche Emanzipation der Naturwissenschaften von der Theologie ein wichtiger, der Wahrheitssuche dienlicher Schritt war. Matthias Becks tiefschürfende Darstellung hebt sich durch die Vielfalt an detailliert beschriebenen Aspekten des Glaubens – theologischer, ritueller, funktionalistischer Art – und den zahlreichen inter- und transdisziplinären Bezügen wohltuend ab von anderen niedrigschwelligen Einführungen in das Christentum, die oft zugunsten der Stringenz Glaubenszweifel von innen und Anfragen von außen nicht wirklich ernst nehmen und vom Einfachen ins Banale fallen. Nicht so Beck: Bei ihm wird um der Klarheit willen nichts unzulässig vereinfacht. Es wird jedoch verständlich gemacht – ein großes Verdienst des Buchs.

Auch Georg Dietlein bohrt dicke Bretter, schreckt nicht vor schwierigen Glaubensfragen zurück, deutet Begriffe auch nicht einfach um oder depotenziert sie zu fassbaren (aber inhaltsleeren) Konzepten, sondern versucht, ihre Bedeutung kleinschrittig herauszuarbeiten. So gelingen kurze Abhandlungen über Kernelemente des Christentums, die sich auch isoliert lesen lassen, etwa das Kapitel über die Eucharistie, das auch unbequeme Wahrheiten enthält (Stichwort: Mahlgemeinschaft). Dietleins Buch ist weniger umfangreich, aber dennoch wird das Wesentliche behandelt, orientiert am Gottesbild des Christentums und den Sakramenten der Kirche. Dort, wo es in die religionsphilosophische Tiefe geht, etwa bei der Theodizeefrage, wäre der Text sicher noch ausbaufähig, doch kommt es auf historisch-systematische Lückenlosigkeit nicht an, solange klar wird, dass ein Problemaufriss nicht aus Gründen der Verlegenheit abgekürzt wird. Und diesen Vorwurf kann man Dietlein sicher nicht machen. Auch nicht den, dass er manchmal in seiner tiefen Glaubensüberzeugung, vereint mit seiner kraftvollen Art zu schreiben, forsch wirkt. Es könnte schlicht daran liegen, dass wir Kühnheit im Einsatz für die Kirche nicht mehr gewohnt sind. Georg Dietlein hat Mut, so muss man das wohl sehen. Vor allem macht er Mut – zu einem Glauben, dem konkrete Taten folgen, einem Glauben, den man selbstbewusst bekennt und lebt, ohne überheblich zu werden. Das ist das große Verdienst dieses Buchs, das dazu anregt, den apostolischen Auftrag der Kirche wieder auf sich selbst zu beziehen, um im Glauben „klarer, provokanter, anstößiger – liebevoller, demütiger, einfühlsamer – eifriger, standhafter, wahrhaftiger“ zu werden.

Beide Texte stehen dem theologischen Essay näher als der spirituellen Ratgeberliteratur – und geben doch sehr konkrete, aber unaufdringliche Hilfestellungen, wie man zur Freude des Glaubens (Dietlein) bzw. zur Fülle des Lebens (Beck) gelangen kann.

Bibliographische Daten:

Georg Dietlein: Freut Euch! Glaubensbekenntnis eines jungen Christen.
Aachen: MM (2013).
232 Seiten, € 14,80.
ISBN 978-3-942-69815-3.

Matthias Beck: Glauben – Wie geht das? Wege zur Fülle des Lebens.
Wien: Styria (2013).
264 Seiten, € 19,99.
ISBN 978-3-222-13428-9.

Josef Bordat

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