Freitag, 04.11.2011 | 15:14 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Eine der sowohl vom Inhalt als auch von der bloßen Seitenzahl her imposantesten Neuerscheinungen des Bücherherbstes 2011 kommt von Antonio Muñoz Molina.
Der 1956 geborene spanische Autor erzählt in seinem 1000-Seiten-Wälzer „Die Nacht der Erinnerungen“ die Geschichte einer großen Liebe vor dem Hintergrund des spanischen Bürgerkriegs-Ausbruchs 1936. Der Madrider Architekturprofessor Ignacio Abel, der unglücklich verheiratet ist und zwei Kinder hat, verliebt sich in die Amerikanerin Judith Biely. Er beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit ihr, und schon bald kreisen Ignacios Gedanken ausschließlich um Judith, mit der er sich bei jeder möglichen Gelegenheit heimlich trifft. Doch seine Frau bekommt Wind von der Affäre und begeht einen Selbstmordversuch. Judith, von Gewissensbissen geplagt, flieht ins ferne New York. Derweil eskaliert der Bürgerkrieg, und Ignacio entkommt nur äußerst knapp einem Erschießungskommando …
Es ist schlicht beeindruckend, wie genau der Autor die Gedankengänge seiner Figuren seziert. Jeder Dialog, jeder Unter- und Zwischenton, jede Stimmungs-Änderung ist psychologisch glaubwürdig bis ins kleinste Detail. Sogar Nebenfiguren wie die Kollegen Ignacios oder die Mitglieder aus der Familie seiner Frau sind geauestens ausgearbeitet und erlangen auf diese Weise scharfe Konturen.
Wollte man an diesem großen und atmosphärisch dichten Roman etwas kritisieren, so wäre das vielleicht ein allzu tiefes Eindringen in die – offenbar hervorragend recherchierten – Wirrnisse um den Bürgerkrieg kurz vor dem Ende des Romans. Wer sich für diesen Teil der spanischen Geschichte weniger interessiert oder kein Vorwissen dazu hat, wird einige Stellen sicherlich etwas ermüdend und langatmig finden. Ein ausführliches Glossar mit den wichtigsten Protagonisten des spanischen Bürgerkriegs im Anhang hilft ein wenig.
Aber wer diese Hürde nimmt, der wird mit einem schier grandiosen Schlusskapitel belohnt, in dem sich die Liebenden in den USA wiedertreffen. Zum Weinen schön!
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Antonio Muñoz Molina: Die Nacht der Erinnerungen.
DVA, August 2011.
1008 Seiten, Gebundene Ausgabe, 29,99 Euro.
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13.12.2011 um 14:35 Uhr
»Die Nacht der Erinnerungen« ist eine Mischung aus Gesellschaftsroman, Zeitchronik und dokumentarischem Bericht – ein großer europäischer Gesellschafts- und Zeitroman, der 1935/36 in Madrid am Vorabend des Spanischen Bürgerkriegs spielt.
In »Die Nacht der Erinnerungen« erzählt Muñoz Molina die Geschichte eines modernen und gemäßigt denkenden Architekten, der in den plötzlich ausbrechenden Wahnsinn des Spanischen Bürgerkriegs gerät. Molina macht in dem Buch klar, dass für pragmatische, demokratische Lösungen in Zeiten der Krise kaum Platz und Geduld ist. Es ist vielmehr die große Chance der Extremisten und Ideologen von rechts und links.
Drei Jahre lang schrieb der Historiker an dem 1000 Seiten starken Geschichtspanorama über den spanischen Bürgerkrieg.