Dienstag, 13.03.2007 | 23:34 Uhr
Autor: Jochen Heller
Wenn man mich fragt, welche Musik ich am liebsten höre, dann kann ich nur sagen: Den Blues. Ich liebe den Blues. In welcher Form auch immer. Ob vom Land oder aus der Stadt, ob mit viel Rythm, Schlagzeug, Bläser, Klavier, Orgel, Bass, Rythmus- und Lead-Gitarre, oder auch nur eine Stimme und eine Harp. Diese Musik bringt mich in Wallung.
Und weil ich die Musik so gerne mag, deswegen faszinieren mich die Predigten in schwarzen Gemeinden. Ob Baptisten oder Methodisten, ihre Sprache, ihre Sprachmelodie hat oft denselben Stil wie das, was im Blues gesungen wird. Ich glaube damit hängt auch der Ausdruck preachin‘ the blues zusammen. – Das heißt nicht einmal, dass sie mich erwecken, mich fasziniert die Technik.
Und eben davon lässt sich in dem Buch, das ich jetzt vorstelle, eine Menge entdecken: Ralph Ellisons Juneteenth.
Uns wird die Geschichte des Sohnes einer farbigen Gemeinde erzählt, der als kleines Kind zum Prediger getrimmt wurde, schließlich aus dieser Gemeinde ausbricht, ihr den Rücken kehrt und sich sogar gegen sie wendet.
Das besondere an dem Kleinen ist: Er ist weiß. Bis zum Schluß ist nicht so recht klar, ob er ein ausgesprochen hellhäutiger Farbiger oder tatsächlich das Kind zweier Weißen ist. Er wurde zumindest von dem Prediger Alonzo Hickman, die Posaune Gottes, ein ehemaliger Jazz-Musiker, angenommen und zu seinem Schüler erzogen.
Die Geschichte beginnt viele Jahre später, der Kleine ist schon erwachsen, als Reverend Hickman versucht, zu dem mittlerweile weißen Senator durchzudringen, um ihn vor einem Attentat zu warnen. Denn sein alter Schützling predigt nun den grässlichsten Rassismus gegen die Schwarzen, so wie er als Kind zu predigen gelernt hat.
Die Warnung kann nicht gegeben werden, das Attentat geschieht, der Senator, Adam Sunraider, liegt schwer verletzt im Krankenhaus, aber sein alter Mentor steht ihm jetzt zur Seite und versucht, seine Seele zu retten.
Immer wieder über Predigten, die sie zitieren und variieren, finden sie den Weg in die Vergangenheit, um sich bewusst zu werden, was in den Jahren geschehen ist. Man erfährt von den Kunststückchen, mit denen die Besucher der Erweckungsgottesdienste beeindruckt wurden, man erfährt, wie dem Kleinen, für ein höheres Ziel, die Kindheit genommen wurde und er von seinen Leuten als Wunderkind, als Erwachsener im Kleinformat behandelt wurde, ihm eine Verantwortung aufgebürdet wurde, die er nicht erfüllen konnte und schließlich sein Ziehvater erkennen musste, dass seine großen Hoffnungen, aus dem Unrecht, was geschehen ist, etwas gutes und großes zu schaffen, zerplatzt sind.
Ich glaube, man kann dieses Werk als Ellisons Lebenswerk bezeichnen. Er schrieb Jahre daran und konnte es nicht zuende führen. Sein Nachlassverwalter hat versucht, die unzähligen Manuskriptseiten in Romanform zusammenzuführen. Ob es ihm in Ellisons Sinne gelungen ist, vermag ich nicht zu sagen. Aber es ist ein starkes Buch, das zumindest mich als Leser mit sehr gemischten Gefühlen zurückgelassen hat. Die Beweggründe des Mentors, wie die des Schülers scheinen erfassbar zu sein. Aber am Ende steht man zwischen den Stühlen und kann weder den Prediger dafür hassen, dass er das Kind auf diesen Weg geschickt hat, noch kann man Sunraider kein Verständnis für seinen Hass entgegenbringen. Ich hatte mir gewünscht, dass diese beiden Männer, die viel aneinander hatten, wenigstens noch zusammenfinden.
Wie man das Ende dann interpretieren mag, ist von jedem selbst abhängig.
Ralph Ellison, Juneteenth
Ammann Verlag
25,90 €
ISBN 9783250104155
Tags: Ralph Ellison, Rassismus, Religion, Roman
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26.10.2007 um 7:47 Uhr
kann mir einer nen altes black hacker book schiken