Mittwoch, 19.10.2005 | 13:57 Uhr
Autor: Regula Erni
wünscht Dirk Knipphals von der TAZ der Kulturnation zur Eröffnung der Buchmesse im Kommentar. Die Buchmesse ist ein Ereignis der Hochkultur, aber dort boomen, so Knipphals, auch Comics… Hm, sind Comics keine Kultur? Dasselbe gilt für die Computerspiele…
Der Kommentator hat entweder einen Kulturbegriff, den ich nicht teile oder er ist ganz schlicht, ein Kulturpessimist…
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19.10.2005 um 14:30 Uhr
Comics & Computerspiele sind ein Teil der Kultur, aber nicht der Lesekultur: weil
das Visuelle dominiert. Lesen zu können bedeutet aber eben nicht, Buchstaben auf dem Papier sehen, sondern zuhören
19.10.2005 um 14:30 Uhr
Ich lese aus dem Artikel genau das Gegenteil, Zitat aus dem Artikel:
„Problematisch ist nicht die Vermischung von Hoch- und Spaßkultur. Problematisch ist, dass sie in Deutschland noch viel zu sehr als Gegner begriffen werden.“
19.10.2005 um 14:33 Uhr
[weiter nach einem technischen Fehler]
… zuhören zu können. Wo diese Fähigkeit verkümmert, kann nicht mehr die Rede sein von Kultur im Sinne dessen, was sie einmal war: Lesekultur und damit wichtigster Bestandteil der Aufklärung.
19.10.2005 um 14:48 Uhr
Schon der Begriff Spaßkultur ist ein typisch deutscher und zudem ein Symptom der grassierenden Kulturlosigkeit: weil er suggeriert, es könnte keinen „Spaß“ machen, Goethe oder Lichtenberg zu lesen. Macht es aber – nur nicht denen, die das Lesen (s.o.) nicht gelernt haben. Wer sich fortschrittlich dünkt, indem er Comics & Computerspiele der Kultur des Zuhörens als gleichwertig an die Seite stellt, unterstützt die Kultur des Glotzens und damit den Rückfall in die Barbarei.
19.10.2005 um 14:55 Uhr
@Paperback Fighter
Widerspruch. Für mich ist die Fähigkeit des Lesens nicht abhängig vom Medium, sondern wie ich mit dem Medium umgehe; es begriefe, es „lese“ (im Sinne von Aneignung der inhaltlichen Qualität). Insofern kann ich auch einen Film oder ein Comic „lesen“.
19.10.2005 um 15:00 Uhr
Nein, sie ist nicht abhängig vom Medium. Aber das Lesen zwischen den Zeilen und das hierfür erforderliche abstrakte Denken lernt man eben nicht in einer Kultur des Glotzens, sondern nur in einer Kultur des Zuhörens. Dies zeigt ja die Unfähigkeit der allermeisten Glotzer, das Gesehene angemessen reflektieren und darüber sprechen oder gar schreiben zu können.
19.10.2005 um 15:23 Uhr
@Paperback: Mir ist der Kulturbegriff, wie du ihn interpretierst, viel zu eng.
@all den Angriff auf „Spass“ verstehe ich nicht ganz; das Lesen von Klassikern macht nicht nur mir Spass…
Und schliesslich geht es um die Fähigkeit, sich auf Etwas zu konzentrieren, jemandem zuzuhören, etwas zu lesen, etwas zu betrachten, etwas be-greifen zu lernen und nicht nur darum, das zu lesen, was zwischen zwei Buchdeckeln zu finden ist…
19.10.2005 um 15:36 Uhr
Davon habe ich auch nicht gesprochen.
20.10.2005 um 12:52 Uhr
Zum Thema „Spaß“:
„Spaß haben“ als Lebenszweck steht in Kontroverse zu so manchen Lebensmaximen, wonach das Leben Müh‘ und Arbeit ist/sein soll, wonach das Leben ein Jammertal ist, ein Ort ständigen Verfalls und der Entwicklung zum Schlechteren etc. Demgegenüber sei hier vertreten, dass „Spaß zu haben“ durchaus ein sehr sinnvoller Lebenszweck sein kann. Und er muss nicht mal ausschließen, dass man sich Mühe und Arbeit macht, sich auf das Jenseits freut oder tatsächlich einen Niedergang der Kultur im Allgemeinsten konstatieren muss.
Lesen:
Lesen im eigentlicheren Sinn dürfte wohl all das sein, was sich damit beschäftigt, einen Sinn aus einer Reihe von Buchstabenkombinationen zu entnehmen. Comics sind dabei ein Grenzfall, jenseits welcher man Filme, Theateraufführungen oder auch (Computer)-Spiele genießt, verabscheut, oder was auch immer, jedenfalls aber nicht liest
20.10.2005 um 13:06 Uhr
Yep, Mühe und Plage sind dem Leben inhärent – und trotzdem vermag es, Spass zu machen.
Vermutlich wär es gescheiter gewesen, das Wort Spass durch Freude zu ersetzen. Seit Möllemann scheint Spass sofort mit Spassgesellschaft gleichgesetzt zu werden und darauf wird allergisch reagiert.
20.10.2005 um 13:48 Uhr
Nicht erst seit Möllemann, sondern seit Ich will Spaß von Markus – : der wohl nicht zufällig in jenem Jahr aus allen Kanälen quakte, da Rainald Goetz in Klagenfurt den gequälten Künstler gab und
SPEX den Pop-Sommer 1982 ausrief.
01.10.2006 um 23:55 Uhr
für mich verläuft ja kaum ne grenze zwischen trash und hochkultur, eher zwischen erregungs- und betäubungs-medien. Bei Knipphals hör ich den deutichsten buh-ruf nicht über die buchmesse, sondern über das öde und hölzerne fernsehen (ZITAT: viele talentierte Autoren zum Beispiel zu fein sind, populäre Fernsehserien interessanter zu machen ZITATENDE).
@Paperback Fighter: Tendier zu Deiner meinung, wenn ich Dein »zuhörenkönnen« in etwa verstehen darf als »auf der stillen phantasiebühne kraft emphathie- & simulations-orchester textwelten mit raum, zeit & leben zu erfüllen«. Lesen bedeutet sprache über schrift aufzunehmen. Klar fehlt da all die feinheit des tatsächlichen ›sounds‹, am markantesten eben beim wörtlichen (vom denken, also inneren monolog oder was auch immer will an dieser stelle der einfachheit 1/2 mal absehen), dem o-ton-register der prosa. Dafür aber kann eben schriftsprache wunderbar hilfestellung geben, wenn man so tun will, als ob man wo anders, jemand anders, wann anders ectppff wäre.
Aber als als comic-fürsprecher weise ich darauf hin: von allen visuellen guck- und glotzmedien ist das comic wirklich noch sehr viel mehr auf der seite der literatur zuhaus, als die um einiges heftigeren überwältigungs-medien glotze, kino, pc/konsolen-spiel. — Beim comic, ob mit oder ohne text, ist das entschlüsseln und lücken-ergänzen mit hilfe von eigenleistung sprichwörtlich zwischen jedem bildpaar zu finden.