Freitag, 03.07.2009 | 20:24 Uhr

Autor: Immo Sennewald

Bond mit Augenzwinkern

Wenn man in die Jahre kommt – bei Roger Moore sind es immerhin fast 82 – wenn man dabei halbwegs gesund und geistig auf der Höhe ist, hat man im Glücksfall eine Menge zu erzählen. Ein noch größeres Glück ist, wenn er Blick zurück nicht im Zorn erfolgt, sondern mit Augenzwinkern und Selbstironie. Das ist die Haltung, die mir diesen Filmhelden in den 60er und 70er Jahren sympathisch machte: was ihm zustieß, schien ihm von vornherein Anekdote geworden, das Leben selbst hatte die Bösewichter eigentlich schon erledigt, ehe er sich mit ihnen befassen musste, er konnte über sie und sich selbst samt den auszufechtenden Kämpfen lächeln, ehe es gekracht hatte, denn er und das Publikum wussten, dass es schon gut ausgehen würde, augenzwinkernd war man verbündet. So war es in den „Simon Templar“- Folgen, in der Serie „Die Zwei“ mit Tony Curtis, so in Moores Bond-Filmen, so verhält es sich mit seiner Autobiographie. Wem diese Haltung nicht liegt, der wird sie so wenig mögen, wie den Verfasser samt seiner Schauspielerei. Roger Moore hat sie soweit perfektioniert, dass er seine unbestrittene Eitelkeit im Eigenlob immer wieder selbst persifliert. Das kann man halt mögen oder nicht.

Wer mag, erfährt Interessantes, Amüsantes, Trauriges über eine Kindheit im Bombenkrieg, über sehr frühe Lehrjahre beim Trickfilm, über Moores Freund David Niven, mit dem er die „Britishness“ teilt. Beide verdanken ihr einen Teil ihres Erfolges, in beiden Gesichtern haben sich Lachfältchen mehr ausgeprägt als die steile Falte der Willensanspannung mitten auf der Stirn. Das Markenzeichen humorfreier Weltenretter haben sie nicht, und das ist wohl einer der Gründe, weshalb ich noch heute Vergnügen habe an einem von Klischees, Knallchargen und sinnfreien Actionszenen strotzenden Film wie „Leben und sterben lassen“.

Moores erster Bond aus dem Jahr 73 ist politisch völlig unkorrekt, denn die Bösen sind darin allesamt schwarz und wollen der weißen Jungfrau Jane Seymour an die Wäsche. Ist das Rassismus? Wohl nur für Rassisten. Die Bösen sind ja vor allem Kunstfiguren, Popanze zum Fürchten, grobschlächtig wie im Kasperltheater. Ihnen tritt, ausgerüstet mit technischen Spielereien, ein Held gegenüber, dem bei Schlägereien kein Anzug knittert – und der sich selbst nicht ernst nimmt. Gewaltbereit machen diese Filme voller Prügeleien und Mordanschläge ganz sicher nur Leute, die ohnehin  keine Manieren haben.

Es wundert einen nicht, dass Roger Moore sich als Waffenverächter, ja als ausgemachten Feigling outet. Mit Körpergröße und männlicher Attraktivität, mit Charme und der Gabe, fast immer gut auszusehen, hat er sich im Leben eher durchgemogelt als durchgeschlagen, Konflikten – etwa bei der Trennung von seinen Frauen – ist er lieber ausgewichen. In seinen Entscheidungen war er pragmatisch: die gut bezahlte Fernsehserie war ihm wichtiger als das Engagement bei der Royal Shakespeare Company. Er war zugleich eine blendende Figur im Doppelsinn, nennt sich selbst ganz gern einen Angeber, zwinkert dabei dem Angeber in uns allen zu, nachsichtig gegenüber menschlichen Schwächen, des eigenen Versagens bewusst, gewitzt durch die Niederlagen des Alltags.

Diesen Alltag erzählt der Star als in Kapitel aufgeteilte Abfolge von Anekdoten. Literatur ist das nicht. Es scheint, als wolle er all den Menschen vor und hinter den Kulissen, vor und hinter der Kamera, mit denen er im Laufe der Jahre zu tun hatte, gentlemanlike ein Quantum Ruhm zukommen lassen. Moore nennt Namen über Namen, Stücke über Stücke, die längst vergessen, längst vergangen sind. Deshalb ermüdet seine Autobiographie. All die Feste, die gefeiert, Flaschen, die geleert, Affären, die begonnen und beendet wurden, all die Unfälle, Missgeschicke, großen und kleinen Gemeinheiten im Showbusiness taugen ja auch recht eigentlich nur für kurzweilige Erzählabende, nicht für dicke Bücher wie dieses. Darum taugt Roger Moores Autobiographie als Urlaubslektüre, nicht aber für den Bücherschrank. Schon deshalb nicht, weil die deutsche Ausgabe mit einfallslosem Titel, lieblos editiert, äußerlich nur an die Geschmacksverirrungen der 70er Jahre erinnert. Man muss kein Hellseher sein, um ihr die baldige Ankunft in den digitalen Ramschkisten des Internets zu prophezeien.

Bis dahin kostet

Roger Moore

Mein Name ist Bond … James Bond“

I.P. Verlag Jeske/Mader, Berlin

368 Seiten, 19,90 Euro

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