Donnerstag, 31.05.2007 | 12:47 Uhr
Autor: Christoph Mann
Ganz wichtig: Niemals den Präser vergessen. Denn das Kinderkriegen „ist ein Bekenntnis zum Leben“. Und Sonntag (Kunststudent, Hobby-Dichter, Jörg-Draeger-Fan und Ich-Erzähler) weiß: „Für mich ist das Leben mein Erzfeind“! Wer zuviel vom Leben nimmt, steckt sich an, wer sich nicht durch eine Gummischicht vor Liebe, Arbeit, Familie und Zukunft distanziert, wird ein Opfer jenes Sog bürgerlich-perfekter Langeweile, den sich so viele Menschen wünschen, am allermeisten Sonntag.
Dabei gibt es für den bedauerlichen Sonntag nur ein Lebensziel, nur eine therapeutische Maßnahme gegen die Deppression: Frauen, Frauen, Frauen…Das mag sich nun wie eine billige und bedauerliche Lösung aus der Nihilismus-Falle der Lebensunlust anhören, dennoch trifft Rocko Schamoni damit aber nicht selten die Realität. Junge Männer, in denen „die Scheiße der Nation lagert“ werden zu etwas, was „flüssiger als flüssig ist“: Nämlich zu Sonntag, dem „Fürsten der Überflüssigen“.
Dabei kann er eigentlich nicht klagen: Er sieht prächtig aus und bekommt was er will. Ob es nun dieser oder jener Job ist (auf 250 Seiten hat er 3 Jobs) oder eine der vielen Frauen, die ihm über den Weg laufen: Sonntag nimmt alles mit und lässt nichts anbrennen. Obwohl es ihm egal ist, und es ihm im Lauf der Zeit noch viel unbedeutender wird, die Jobs hängt er an den Nagel wenn genügend Geld da ist, die Frauen ruft er nicht an, vielleicht weil nur seine Nachbarin Mia für ihn eine tiefere Bedeutung hat (aus irgendeinem Grund). Oder aus Langeweile.
Dazwischen steckt Sonntag, wie es der Buchrücken sehr schön ausdrückt, in der „Warteschleife des Lebens“: „keinen Job, keinen Besitz, keine Familie, keine Leidenschaften. Fernsehen, sitzen, warten, essen…“. Geht seinen Depressionen nach und hasst auf so zynisch-witzige Weise die Welt, dass man ewig aus diesem Buch zitieren möchte: „Die dämliche Verliebtheit ist schließlich nur dafür da, um Geschlechtspartner vor und nach der Geburt eines Kindes zusammenzuhalten.“ Oder, nach der letzten Nacht als Rowdy auf Tour (und nach einem missglückten Beischlaf): „Alle sind in einem ähnlichen Zustand wie ich: kaputt, pleite, fertig, aber irgendwie glücklich. Wir tragen unser Fertigsein, unsere Kaputtheit wie Orden.“ Noch mehr? Gerne: „Das Leben will mich aus sich selbst rausschmeißen. Das ist die Wahrheit. Es hat genug von meinen Eskapaden. Kann ich irgendwie auch verstehen. Mir kann man es wirklich nicht recht machen, ich geb es ja zu.“
Ja, Zeit an dieser Stelle etwas zuzugeben: Der Verfasser dieser Rezension fühlt sich von diesem Buch durchaus angesprochen, vielleicht hängt das damit zusammen, dass vieles darin (beinahe zu sehr) seine Lebenswelt trifft. Dennoch kein Grund, Rocko Schamonis „Sternstunden der Bedeutungslosigkeit“ in die Ecke der Fachidiotie-Literatur zu stecken: Der Grundton des Buches oszilliert zwischen melancholisch und zynisch, und Rocko Schamoni brilliert auf dem Instrument der Buchstaben. Hin- und wieder steigert sich das Tempo in eine berauschende Orgie, auf welche dann aber stets der Abfall in eine verkaterte, am Boden kriechende Mattigkeit folgt. Da es in dem Buch um nichts geht, da es keine roman-artige Handlung, keinen Problem-Lösung-Syllogismus gibt, da es hier um Nichts und Nihilismus sowie die Notanker der Befriedigung und des Lebenssinns geht, kann das Ende eigentlich nur grauenhaft, aber literarisch gut sein. Bei Rocko Schamoni ist es gut, aber literarisch grauenhaft, was aber nicht mehr als ein Wehrmutstropfen in einem wahrhaften Geschmackserlebnis ist.
Tags: DuMont-Verlag, Hamburg, junge literatur, Leben, Pop-Literatur, rocko schamoni
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04.08.2009 um 13:49 Uhr
[…] für ihn ist das Leben der Erzfeind. Eine wunderbare Rezension zu dem Buch findet man in der Literaturwelt. Sonntag kämpft nicht wirklich mit seinen Depressionen, er steht dazu. Als er als Roadie mit […]