Donnerstag, 12.12.2013 | 21:06 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Als äußerst harte und erschütternde Lebensbeichte entpuppt sich Robert Goolricks autobiografisches Buch „Das Ende der Welt, wie wir sie kennen“.
Bei den ersten Zeilen denkt man noch, es gehe „nur“ um Alkoholismus, doch dann stellt sich heraus, dass das eigentliche Thema des Buches ein ganz anderes ist: Kindesmissbrauch. Der Autor ist im Alter von vier Jahren von seinem betrunkenen Vater vergewaltigt worden, während seine ebenfalls betrunkene Mutter zugesehen hat. Seine Großmutter, der der blutende Junge am nächsten Tag von dem Vorfall erzählt, reagiert nicht weiter. Sie sagt nur, dass er es niemandem erzählen dürfe, weil sonst etwas Schlimmes geschehe.
Doch weil es eine in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge erzählte Autobiografie ist – der Ich-Erzähler wird mit fortschreitender Seitenzahl immer jünger – erfährt der Leser das erst ziemlich spät.
Zuerst liest man von den Folgen, die das traumatische Erlebnis ausgelöst hat: von der Unfähigkeit Goolricks, Liebesbeziehungen zu anderen Menschen aufzubauen – und er versucht es mit Männern und Frauen –, von seinem selbstzerstörerischen Drang, sich selbst schmerzhafte Verletzungen zuzufügen, von seinen Aufenthalten in der Psychiatrie, von seiner Alkoholsucht und von dem Niedergang seiner Eltern von umschwärmten Partygängern zu gefühllosen Wracks. Offenbar hat auch ihnen das lang zurückliegende Ereignis noch Jahrzehnte später zugesetzt.
Es macht das Buch eindringlicher, dass es durchweg in einer zurückgenommenen, lakonischen, ja fast nüchternen Sprache geschrieben ist. Jedes Pathos oder gar Selbstmitleid wäre hier zu viel. Die Geschichte spricht derart stark für sich selbst, da braucht es keinerlei sprachliche Ausschmückung. Interessanterweise findet der Autor sogar einen Weg, besonders zu Anfang dem (schwarzen) Humor Raum zu geben.
An den Text ist ein Interview des Autors mit einem nicht genannten Gesprächspartner gehängt. Darin erklärt Goolrick, er habe das Buch nicht nur verfasst, um sich selbst etwas von der Seele zu schreiben, sondern um dem Schweigen ein Ende zu bereiten, das nach wie vor um das Thema Kindesmissbrauch existiert. Ein beeindruckendes Buch!
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Robert Goolrick: Das Ende der Welt, wie wir sie kennen.
btb, September 2013.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
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