Montag, 30.05.2011 | 21:54 Uhr
Autor: Andreas Schröter
„Skippy stirbt“ von Paul Murray, ist bereits von seiner äußeren Aufmachung her ungewöhnlich. Der 780-Seiten Roman besteht aus drei einzelnen Taschenbüchern, die mit den Untertiteln „Hopeland“, Heartland“ und Ghostland“ versehen sind. Das Ganze steckt in einem Schuber, und ein schickes Lesezeichen gibt’s auch noch dazu. Lob an den Verlag Antje Kunstmann für soviel bibliophiles Engagement in einer Zeit, in der Bücher (vielleicht bald) von E-Books verdrängt werden. Die Kehrseite der Medaille: „Skippy stirbt“ kostet satte 26 Euro.
Inhaltlich geht’s um die Zustände in einem irischen Jungen-Internat vor und nach dem Tod eines Schülers namens Daniel „Skippy“ Juster. Der 14-Jährige wird nicht mit der Krebserkrankung seiner Mutter fertig, verliebt sich unglücklich und hat es auch noch mit zwei pädophilen Lehrern und einem wenig sensiblen Schulleiter zu tun. Zuviel für ihn. Dass er wirklich stirbt, wird zwar schon auf den ersten Seiten klar, doch beinhalten die ersten beiden Bände die Ereignisse vor seinem Tod. Aber die bloße Handlung ist nicht das Wichtigste an diesem überaus lesenswerten Buch. Es ist die rundum glaubhafte Internats-Atmosphäre, die von diesem Roman ausgeht – mit den sexbesessenen Pubertierenden, jenem dicklichen, aber hochintelligenten Außenseiter, der nur an ferne Dimensionen denkt, Jugendlichen, die mit ersten Drogengeschäften auf die schiefe Bahn geraten, und dem Treiben im benachbarten Mädchen-Internat. Der irische Autor Paul Murray, geboren 1975, trifft sie Jugendsprache stets sehr genau.
Vieles erinnert bis hierhin an den Klassiker der Sparte „Romane über das Erwachsenwerden“, Salingers „Der Fänger im Roggen“. Doch „Skippy stirbt“ geht darüber hinaus, weil es auch die Erwachsenenwelt beinhaltet. Wir lernen unter anderem den Geschichtslehrer Howard kennen, der sich in seiner Ehe langweilt, sich in eine Aushilfslehrerin verliebt und von wildem Sex mit ihr träumt. Damit unterscheidet er sich kaum von seinen Schülern und ihren Phantasien. Auch hier trifft der Autor die Atmosphäre im Lehrerzimmer mit ihren kleinen Intrigen, Feindschaften und Lustlosigkeiten sehr genau.
Am Ende mündet alles in ein finale furioso, bei dem das ganze Internat und auch die handelnden Figuren noch einmal in ihren Grundfesten erschüttert werden. Ob es dieses gewaltigen Schlussakkords bedurft hätte, sei dahingestellt. Auch ohne dies ist „Skippy stirbt“ ein richtig gutes Buch.
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Paul Murray: Skippy stirbt.
Verlag Antje Kunstmann, Januar 2011.
780 Seiten, drei Taschenbücher im Schuber, 26 Euro.
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30.05.2011 um 22:15 Uhr
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12.06.2012 um 11:36 Uhr
Großartiges Buch, das mir das Lesejahr 2012 extrem bereichert hat. Besonders hervorzuheben sind die vielen glaubwürdigen Figuren, die alle ihre ganz eigene Erzählstimme haben. Murray weiß einfach, wie’s geht. Meine Rezension: http://www.leselink.de/buecher/entwicklungsroman/skippy-stirbt.html