Donnerstag, 18.05.2006 | 19:41 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Charles Bukowski wird oft auf Saufen und Sex reduziert. Wer das tut, verkennt, dass der 1994 verstorbene amerikanische Autor auch eine brillanter Gesellschaftskritiker war und vor allem eines richtig gut konnte: schreiben.
Charles Bukowski hat zudem enorm viel produziert – deswegen kann auch noch zwölf Jahre nach seinem Tod Unbekanntes von ihm erscheinen – wie zum Beispiel seine Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 1991 bis 93. Darin kommen so gut wie gar kein Sex und nur wenig Alkohol vor. Es geht um Bukowskis Tage auf der Pferderennbahn und seine Nächte vor dem Computer. Interessant!
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Charles Bukowski: Den Göttern kommt das große Kotzen; Kiwi, 16,90 €, ISBN: 3-462-03655-6
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18.05.2006 um 21:57 Uhr
Wollte es als Bettlektüre missbrauchen und bin bis zwei Uhr nachts von Absatz zu Absatz immer wieder beeindruckt worden, bis ich die letzte Seite umgeschlagen hatte. In diesem Buch steckt einiges an Wahrheit über das Schreiben und seidenschalumhangene „Society-Dichter“ und es sollte nicht unterschätzt werden!
Einfach interessant und spannend zu lesen, obwohl ich danach beim Gedanken an den Tod erst recht nicht in den Schlaf gekommen bin…
20.05.2006 um 15:53 Uhr
was denn für nächte vor dem computer?
20.05.2006 um 16:22 Uhr
Für Christiane Geldmacher:
„Im Obergeschoss setzte ich mich an den Computer. Mein neuer Tröster. Seit ich ihn habe, ist mein Ausstoß doppelt so stark, inhaltlich wie mengenmäßig. Er ist ein magisches Gerät. Ich sitze davor wie die meisten anderen vor ihrem Fernseher.
„Ist doch nur `ne bessere Schreibmaschine“, hat mein Schwiegersohn mal gesagt.
Aber er ist auch nicht Schriftsteller. Er weiß nicht, wie es ist, wenn die Wörter sich durchbeißen und eine schillernde Aura kriegen; wenn den Einfällen, die man hat, sofort Worte folgen können; was beides noch mehr sprießen lässt. Mit einer Schreibmaschine ist es, als würde man durch Schlamm stapfen. Ein Computer, das ist Eisschnellauf. Eine gleißende Explosion. Natürlich, wenn man nichts in sich hat, ist es egal, auf was man schreibt.“ – S.45
21.05.2006 um 19:02 Uhr
oh, danke! das hätte ich nicht vermutet. überhaupt nicht. und ein schönes bild von ihm (eisschnelllauf).
22.05.2006 um 13:23 Uhr
Wer als männlicher Jugendlicher seine Pubertät mit Hilfe der Texte von Charles Bukowski und Henry Miller erfolgreich abgeschlossen hat, weiß auch 20 Jahre später noch den Wert obszöner Textpassagen zu schätzen, zumindest in didaktischer Hinsicht. Dass Sex, Gewalt, Alkohol die zentrale Rolle in Bukowskis Texten spielen, bleibt unbestritten. Dennoch unterscheidet sich sein Werk durch präzise Bestandsaufnahmen, z.B. in den Schilderungen der Schlachthöfe von Chicago, von Trivialliteratur und Pornografie.
Gut passt hier auch ein Zitat von einem Schriftsteller, den man nicht sofort in einen Zusammenhang mit sprachlicher Brutalität bringt: „Man wirft mir vor, ich sei zu derb, ekelhaft, zu unheimlich, zu zynisch und was es dergleichen noch an soliden, gediegenen Eigenschaften gibt – und man übersieht dabei, daß ich doch kein anderes Bestreben habe, als die Welt zu schildern, wie sie halt leider ist.“
Ödön von Horváth
22.05.2006 um 21:14 Uhr
Christiane, wie, dachtest Du, hat Bukowski seine Texte produziert? Ich schätze, zwischen dem Ruf, den er hatte, und der Realität klaffte eine nicht geringe Lücke – besonders als er älter war.
Ich bin Bukowski ewig zu Dank verpflichtet. Er hat einen gewissen Anteil daran, dass ich mich im Alter von 20/21 in typischer Spätzündermanier überhaupt für Literatur zu interessieren begann. Ich merkte damals, dass Literatur eben nicht nur aus politisch korrekten, aber leider oft stinklangweiligen Büchern bestand, die Deutsch-Grundkurs-kompatibel waren.
Und wie schon in meiner Eingangskritik gesagt: Wer Bukowski auf Saufen und Sex reduziert, hat meiner Ansicht nach sehr, sehr viel von seinen Texten überhaupt nicht erfasst. Und das gilt nicht erst seit diesen Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit kurz vor seinem Tod.
23.05.2006 um 5:57 Uhr
Seltsamerweise macht diese Arbeit am Computer ihn für mich interessant. Es ist so erfrischend gegenwärtig. Früher habe ich ihn mal gelesen, da ging er ü-ber-haupt nicht an mich. Aber ich entdeckte auch Highsmith erst mit 35 und Proust mit 40. Alles zu seiner Zeit offenbar …
10.06.2006 um 10:33 Uhr
Schlachthöfe? Chicago? Hasse mal nen Titel? Du verwechselst nicht mit ‚Der Dschungel‘?