Montag, 17.10.2005 | 09:55 Uhr

Autor: Christiane Geldmacher

Nachgelesen!

Nochmal zu der gestern in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienenen Kritiken der Autoren an den Kritikern – hier einige Schlaglichter.

Hwang Chi-Woo: „Ein guter Kritiker versteht nicht nur die Intention des Autors, sondern begreift selbst das, was dem Autor nicht bewusst und dennoch in seinem Werk enthalten ist. Vor solchen Kritikern habe ich großen Respekt. Denn sie schaffen etwas Neues und sind daher mit Musikern vergleichbar, die allerdings ohne Töne musizieren. Eine Kritik, die auf Literatur wie ein Resonanzkörper reagiert, ist wie Musik.“

Julian Barnes: „Ich wünschte mir eine Beschreibung (… von einem Kritiker …), welche die zwei- oder dreihundert Seiten des Romans in etwa tausend Wörtern komprimiert, und zwar so, dass sie Thema, Ton, Farbe, Stil und Bedeutung des Buches treu bleibt; dass sie auf seinen erzählerischen Pulsshlag achtet, seinen Vorwärtsdrang, seine notwendigen Verzögerungen. Eine solche Beschreibung würde ein Urteil einschließen, ohne irgendwelche Lobesworte hinzufügen zu müssen. Ich glaube, daß dies in Hunderten von Rezensionen meiner Bücher ganze zwei Mal der Fall war – einmal war es ein Schriftstellerkollege, einmal ein Professor für englische Literatur.“

An Bernard-Henri Levy ging die Frage: „In diesem Jahr wurden mehrere sehr kritische Bücher über Sie veröffentlicht. Wie haben Sie da reagiert?“ Antwort: „Mit Krieg. Ich könnte jetzt antworten, daß es mir gleichgültig war, daß ich über den Dingen stehe, die kleinen Herren nicht beachte, aber das wäre geheuchelt. In Wahrheit wollen mich diese Leute umbringen – symbolisch meine ich – und in einem solchen Fall ist es besser, als erster zu schießen. Ich mußte dafür sorgen, daß diese Bücher als das erkannt werden, was sie sind: schlecht recherchiert, schlecht geschrieben und voller Fehler.“ Frage: Gab es denn auch Kritiken, von denen Sie etwas gelernt haben?“ Antwort: „Natürlich, aber das war wirkliche Kritik, die weder vom Ressentiment noch durch irgendwelche offenen Rechnungen motiviert war, emphatische Kritik, die aus wirklicher Lektüre entstanden ist, die sich zum Text hinzufügt und als Paratext wirkt. Die ist fundamental wichtig, dann kann sie noch so negativ, feindselig, mörderisch ausfallen. Sie bereichert dich und gehört dann irgendwie zum Buch dazu.“

Matias Faldbakken lässt einen „erbärmlichen Kritiker“ in seinem Beitrag „Verriss und Vorurteil“ zu Wort kommen: „Der PC faszinierte mich, und kaum hatte ich seine Funktionsweise durchschaut, wr mir klar, daß ich eine Art binären Kode der Literaturkritik erfinden musste (0 + 1). Statt an unwesentlichen Details irgendeines mediokren literarischen Machwerks herumzudeuteln, galt es, eine Art gnadenlose Abortkritik zu etablieren. „Ja“ hieß Lesen! „Nein hieß Abort, also: Nicht lesen! So war die minimalistische Kritik geboren. Artoun Dilsizians erste minimal critic sah so aus:
Salman Rushdie
Harun und das Meer der Geschichten
224 Seiten
Penguin Putnam
Von Artoun Dilsizian
NEIN.“

Hans Magnus Enzensberger: „Die Schriftsteller tun gut daran, sich über ihre Kritiker nicht zu äußern. Das wäre ein taktischer Fehler.“

Dave Eggers: Wenn wir andauernd die schrumpfende Zahl der Leser beklagen, die sich für ernsthafte Literatur interessieren, dann brauchen wir mehr denn je Kritiker, die Leser gewinnen wollen, die sie in Erregung versetzen, die erklären, aufklären und etwas vor Augen führen können. Es gibt eine Menge solcher Kritiker, und ich hoffe, sie finden und feiern auch weiterhin neue Bücher von weniger bekannten Autoren, die es verdient haben.“

Da gibt´s noch viel mehr: LESEN!

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