Dienstag, 23.12.2008 | 10:23 Uhr
Autor: Barbara Wenz
Rätsel Religion – Der Glaube an das Übernatürliche, an Geister, Wesenheiten, Götter oder den einzigen Gott ist allen menschlichen Kulturen eigen, mehr noch als das: Er unterscheidet uns deutlicher als jedes andere Wesensmerkmalvom tierischen Mitgeschöpf. Aber was genau ist Religion? Und wem nützt der Glaube? Was haben die Naturwissenschaften bisher an Antworten zusammengetragen und inwieweit gibt es Hinweise darauf, dass Religion und Glaube eventuell einen evolutionären Vorteil bringen, mithin funktionaler Bestandteil der menschlichen Evolution sind? Mit diesen Fragen beschäftigen sich mittlerweile nicht mehr nur Religionssoziologie und die Religionswissenschaft, sondern auch Hirnforschung, Genetik, Demografie und Soziobiologie, fächerübergreifend, in einem intensiven interdisziplinären Austausch.
Michael Blume, Religionswissenschaftler und Rüdiger Vaas, Biologe, haben zum aktuellen Stand der Forschung das Buch „Gott, Gene und Gehirn“, erschienen im Hirzel-Verlag, vorgelegt, das einen gehaltvollen und dennoch unterhaltsam geschriebenen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse, neuesten Hypothesen und vorerst offenen Fragen gibt. Zentral ist dabei die Frage nach den biologischen Grundlagen von Religiösität. Was ist dran am „Gottes-Modul“ im Schläfenlappen? Gibt es wirklich so etwas wie ein „Gottes-Gen“? Und wie hängt eigentlich der Kinderreichtum eines Landes mit der Zahl der dort lebenden katholischen Nonnen zusammen?
Darauf und auf vieles mehr gibt das Buch interessante und fundierte Antworten, nicht nur im Hinblick auf die empirischen Fakten, sondern auch mit Seitenblick auf die zugehörigen philosophischen Überlegungen.
Dieses Buch ist ein wertvolles Buch und die Lektüre ein Gewinn. Dafür sorgen nicht nur das vorbildlich gegliederte Inhaltsverzeichnis nach Forschungsbereichen mit einer soliden Einführung in den Begriff von Religion und Glaube sowie einem zusammenfassenden Überblick über Geschichte und Inhalt der Evolutionstheorie, sondern auch die vielen weiterführenden Literaturhinweise und der erfreulich dezente Fußnotenapparat.
Es gibt nur eine Einschränkung: Glaubende oder Atheisten, die nur auf der Suche sind nach weiterer Polemik, die sie in ihren eingefahrenen Vorurteilen stützt, werden mit diesem Buch nicht glücklich. Die beiden Wissenschaftler haben es sich zur Aufgabe gemacht, keine vorschnellen Antworten zu geben, sondern angesichts der Brisanz und der aktuellen Polemiken im Zusammenhang mit Religion und Evolution in höchstem Maß zu differenzieren. Dies ist m. E. gelungen.
Und nicht zuletzt ist es eine schöne Verbeugung vor der Intelligenz des Lesers, die in vielen populärwissenschaftlichen Büchern zum Thema leider immer öfter ausbleibt.
Blume, Michael und Vaas, Rüdiger: Gott, Gene und Gehirn. Warum Glaube nützt. Die Evolution der Religiösität. Erschienen im S. Hirzel Verlag Stuttgart, 2008. ISBN 978-3-7776-1634-6. Bestellbar bei Amazon.
Tags: Evolution, Evolutionary Religious Studies, Religiösität, Religion, Religionswissenschaft
Mit flattr kann man Bloggern mit einem Klick Geld zukommen lassen. Infos