Montag, 01.05.2006 | 12:48 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Dieses Frühjahr beschäftigt ein nur 145 Seiten dünnes, kleinformatiges Büchlein die literaturinteressierte Öffentlichkeit: Truman Capotes „Sommerdiebe“.
Kein Wunder, die Geschichte dieses Werkes ist einfach zu schön – und dementsprechend werbewirksam: Truman Capote, der später mit Werken wie „Frühstück bei Tiffany“ zu einem der bekanntesten Schriftsteller der Welt werden sollte, begann bereits 1943, im Alter von nur 19 Jahren, daran zu schreiben. Er war aber nie recht zufrieden mit seinem Erstling, nahm es sich in den folgenden Jahren immer wieder vor, überarbeitete es und verzweifelte letztlich daran. Später behauptete er, er habe dieses Frühwerk vernichtet. Eine glatte Lüge. Es lagerte seit den 50er Jahren in einem Pappkarton in einem von Capote aufgegebenen Appartement. Und weil der Verwalter sich dem Wunsch des Autors widersetzte, das gesamte Wohnungs-Inventar zu vernichten, gelangten diese vier handgeschriebenen Schulhefte über 20 Jahre nach dem Tod des Autors doch noch an die Öffentlichkeit. Dem Neffen des Verwalters, der das Manuskript 2004 über das Auktionshaus Sotheby’s zu Geld machen wollte, sei Dank.
Es geht in diesem Buch um Grady McNeil, ein 17-jähriges Mädchen aus besseren Verhältnissen, das erstmals einen New Yorker Sommer ohne die Familie verlebt. Grady verliebt sich in den einfachen Parkplatzwächter Clyde Manzer aus sozial niedrigen Kreisen, und das Drama nimmt seinen Lauf.
„Sommerdiebe“ beschwört auf leichte und angenehm lesbare Weise die jugendliche Freiheit und Unbekümmertheit herauf, aber auch die Unvernunft und die innere Zerrissenheit dieser Zeit.
Es mag dennoch sein, dass das Buch mit späteren Werken Capotes wie „Andere Stimmen, andere Räume“ oder „Kaltblütig“ nicht mithalten kann und somit auch später nicht den hohen Maßstäben des Autors an sich selbst standhalten konnte, aber es ist absolut beeindruckend, mit welchem psychologischen Tiefsinn und mit welcher sprachlichen Kraft ein 19-Jähriger diese Boy-meets-girl-Geschichte mit Leben füllt. Lesenswert!
Für den Schweizer Verlag Kein & Aber ist „Sommerdiebe“ übrigens zugleich der Auftakt für eine achtbändige Reihe mit Werken von Truman Capote. Eine gute Gelegenheit, sich mit diesem schrillen Genie (wieder) zu befassen.
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