Montag, 24.03.2014 | 17:06 Uhr
Autor: JosefBordat
Mike Hulme behandelt die globale Herausforderung „Klimawandel“ als Chance für eine Neuausrichtung der Kultur
Mike Hulme, seit September 2013 Professor für Geographie am King’s College in London, zuvor Gründungsdirektor des Tyndall Centre for Climate Change Research, hat ein engagiertes Buch zum Klimawandel geschrieben – Titel: Streitfall Klimawandel. Warum es für die größte Herausforderung keine einfachen Lösungen gibt. Klimawandel ist für den Verfasser nicht nur ein naturwissenschaftlich beschreibbares Phänomen, das allein Gegenstand von Expertendiskursen sein sollte, sondern eine komplexe gesellschaftliche Herausforderung. Das Klima gilt Hulme als „Hebel“, als „Schlüsselkomponente“, als Dreh- und Angelpunkt der politischen Zukunftsgestaltung.
Um das zu erläutern, definiert der Verfasser zunächst die Begriffe „Klima“ und „Klimawandel“ und beschreibt kurz die Entdeckungsgeschichte des sich verändernden Klimas. Er unterscheidet zwischen natürlichem und anthropogenen Klimawandel und markiert dabei den Grund für den Streit zwischen den Lagern, die je eine der Ursachen für die Veränderung (Natur oder Mensch) in den Vordergrund stellen eine „divergierende Auffassungen über das Wesen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und deren Rolle für politische Entscheidungen“.
Das ist in der Tat der springende Punkt, der globale Klimaschutzmaßnahmen so schwierig macht – Uneinigkeit hinsichtlich der richtigen Antwort auf folgende Fragen: Was wissen wir vom Klima und seinem Wandel? Was bedeutet dieses Wissen für die Politik? Hulme rät dazu, die Grenzen der Wissenschaft anzuerkennen, sie als soziales System zu verstehen und sich bei politischen Entscheidung nicht allein auf die Wissenschaft zu stützen. Wichtiger sei es, sich darüber zu verständigen „was Klimawandel für uns bedeutet und was wir dagegen unternehmen sollten“. Das ist eine gesellschaftliche Debatte, die zwar nicht gegen die Wissenschaft gerichtet ist, aber doch auch außerhalb wissenschaftlicher Fachdiskurse stattfindet.
Dazu wiederum ist es unerlässlich, sich über Werte und Glaubensvorstellungen zu unterhalten, über Angst und Risiko und über den Fortschritt. Wie etwa verhalten sich Klimaschutz und Armutsbekämpfung im Entwicklungskontext zueinander? Klar ist, dass Armut und Hunger, verursacht durch Missernten, auch ihre Ursache im regional ungünstigen Klima haben. Ebenso ist klar, dass dort, wo Anbauflächen für Biokraftstoffe entstehen, diese Felder nicht mehr für Nahrungsmittel genutzt werden können. Ergo: „Was in Brüssel als attraktive und durchführbare ‚Lösung‘ zu Klimawandel erscheinen mag – die Ausweitung der Biokraftstoffproduktion zum Ersatz fossilen Kohlenstoffs aus dem Flüssigkraftstoffmix –, kann die Nahrungsmittelsicherheit und Bekämpfung der Armut, zum Beispiel in Burkina Faso, in Frage stellen.“
Klimawandel ist nach Auffassung des Autors kein Problem, das „gelöst“ werden, sondern nur ein Problem, zu dem man sich mehr oder weniger geschickt positionieren kann. Wir sollten nicht romantisch um ein verlorenes Paradies trauern oder eine apokalyptische Katastrophe an die Wand malen, nicht technologisch versuchen, das Klima in den Griff zu bekommen und den Klimawandel auch nicht zum Gegenstand der Moral oder gar der Religion erheben, sondern stattdessen die „kulturellen Botschaften von Klimawandel“ erkennen und uns daran orientieren. Der Klimawandel „wird so zu einem Spiegel, in den wir blicken und, darin bloßgestellt, sowohl uns als auch unsere gesamte Gesellschaft erkennen“ und damit schließlich befähigt werden, nichts weniger als „unsere weitreichenden sozialen Ziele zur Frage, wie und warum wir auf diesem Planeten leben, neu zu durchdenken und erneut zu verhandeln“.
Was Hulme vorschlägt, bleibt mitunter etwas schwammig. Er präsentiert ohnehin eher eine Meta-Analyse des Phänomens Klimawandel, mit dem Ziel einer völlig neuen Kontextualisierung des Themas im öffentlichen Diskurs. Wer, wie Hulme, der Meinung ist, diese sei nötig, weil wir das Klima weniger „schützen“ als uns vielmehr mit dessen Wandel arrangieren sollten, wird dem Verfasser auch in manche blumige Formulierung hinein folgen können. Das Buch ist zu diesem Zweck sprachlich leicht zugänglich und didaktisch sinnvoll aufgebaut. Jedes der Kapitel enthält eine Hinführung zur Fragestellung sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Es gibt Hinweise auf weiterführende Literatur und einen Sachindex, der das rasche Auffinden von Themen gewährleistet. Mike Hulme legt einen Debattenbeitrag vor, der es wert ist, von den umwelt- und klimawissenschaftlichen Disziplinen ernsthaft und wohlwollend aufgenommen zu werden.
Biographische Daten:
Mike Hulme: Streitfall Klimawandel. Warum es für die größte Herausforderung keine einfachen Lösungen gibt.
München: Oekom (2014).
400 Seiten, 24,95 Euro.
ISBN 978-3865814609
Josef Bordat
Mit flattr kann man Bloggern mit einem Klick Geld zukommen lassen. Infos