Freitag, 03.11.2006 | 11:37 Uhr
Autor: Oliver Gassner
Eine Leserzuschrift:
„Geht es nur mir so, oder ist Deutschlands junge Literaturwelt schon wieder ein Stück kleiner geworden? Beim diesjährigen (14.) OpenMike in Berlin, sind sechs der 18 Teilnehmer, Absolventen des Leipziger Literaturinstituts und weiter sieben kommen aus Berlin. Ich bin kein Quotenfreak und Qualität zählt, aber ist das nicht etwas exzessiv?“
Meine Meinung:
– Wer in D literarisch was vor hat geht nach Leipzig oder Berlin. Dass die dann auch wieder daher kommen, scheint mir nun nicht so arg verwunderlich. Ggf sind das einfach die ‚engagierten‘ die dann auch sichtbarer sind als andre, die irgendwo lokal vor sich hinköcheln.
Dass es ’nur‘ diese beiden Fokuspunkte gibt, in der Tat, das kann man beklagen. wenn man aber vor die Haustür guckt, dann ist auch dort was los. (Also in BW zumindest 😉 NRW hör ich auch einiges, RLP und so.)
Mit flattr kann man Bloggern mit einem Klick Geld zukommen lassen. Infos
03.11.2006 um 13:27 Uhr
Olli meinte: Wer in D literarische was vor hat geht nach Leipzig oder Berlin.
Hmja. Ich bin da mittlerweile äußerst defätistisch.
Wer in D auf eine bestimmte, zurzeit modische Art und Weise literarisch was vorhat und Szenezugehörigkeit braucht, geht nach LPZ oder B.
Ich fühl mich hier in Ffm nicht grade „lokal“ oder am Rande der Gesellschaft, janz im Jejenteil. Don’t believe the hype. Deutschland ist überall, auch und gerade in der Provinz.
Hingegen kann man sich in seinem B-Kiez immer so herrlich gesamtbundesrepublikanisch zentriert fühlen. Ob man’s dann auch ist, bezweifel ich. Berliner schreiben halt viel für Berliner, was Berliner Juroren dann ziemlich toll finden. Ist eben Inzucht, hat aber nicht viel zu bedeuten. Jedenfalls nicht für den Rest der Republik.
03.11.2006 um 14:35 Uhr
Ich sitz gelegentlich mit (noch? *g*) unbekannteren LZ-Leuten zsammen. sie behaupten vehement es gäbe auch ganz ganz verschiedene LZ-Leute. es kommen aber wohl eben nicht alle ‚hoch‘. auch in LZ gibt es offenbar viele Grüppchen und Gruppen, wenn nicht gar seilschaften 😉 also_: Leute, die sich nicht direkt unsympathisch sind, rotten sich da wohl zusammen 😉
Und was man so vom lehrbetrieb hört klingt auch nicht so, als würden da Lauete auf Linie gebracht. Man kann wohl Weitestgehend ’selber machen‘. Und kriegt Feedback.
Ich hab bisher noch keinen (Ex-)LZ-ler schimpfen hören (was mir eher zu denken gibt *g*). Gibbsdochgarnicht.
04.11.2006 um 10:13 Uhr
Meine erklärung: Bei ›uns‹ zählt Originalität und Qualität kaum was, Netzwerkerei und Lemming-Polonaise aber ist alles. — Mich freut aber immer teuflisch, wenn ich diese Berlin/Leipzig-Bücher dann fluggs im Ramsch-Antiquariät finde. (Nebenbei: DAS wäre mal eine interesassante Rubrik in einer Lit-Zeitung
So einfach stellt sich da für mich dar. Haste keine kohle um mal logger in die hype-biotope zu ziehen, haste halt verlohren.
Außerdem: seit wann ist dieses Aushilfs-Rappen namens ›Poetry Slam‹ Literatur? (›Poetry Slam‹ würde ich ja übersetzen mit ›Gedichts-Prügel‹). Das ist doch Superstarsuchen im Sandkastenformat ohne Playbackmukke. Wenn in Ffm so Trottel wie ich ausm Stand den zweiten Platz erreichen, kann dieser Schmarrn doch wirklich nix heißen
(Dies ist eine Polemik, die nicht von einem vernünftig stoischen Leser, sondern von einem blöckenden Sozialneidhammel kommt.)
04.11.2006 um 10:47 Uhr
a) Mach gern hier ne Kolumne „LZ im Ramsch“ (was das allerdings besagt, ausser dass verleger alles verramschen, auch gutes, weiss ich nicht 😉 )
b) Ehm, Netzwerken hat immer schon gezählt, seis bei Walther von der Vogelweide oder in Weimar oder bei den beiden auf der Achse Danzig/Lübeck/München. „Asoziale“ (sagen wir: wie A. Schmidt) waren selten Stars…
c) Hiesst ‚Qualität‘ nicht immer ‚Komplexitär‘ und schränkt sie dadurch ihre Reuichweite nicht automatisch ein? Gibt es ‚massenqualität‘, dei nicht nur gekauft, sondern auch gelsen wrid? (Für jeden ungelesenen Eco einen Euro und ich setz mich zur Ruhe 😉 )
04.11.2006 um 17:36 Uhr
Verramscht wird ja wohl, was sich nicht verkauft. Soweit ich nachvollziehen kann um:
1) durch verlage um keine lagergebühr bei den großhändlern zu zahlen;
2) im laden, um dem schnelleren markt nachzuhetzten (schneller lager- und regelplatz freizumachen und eben durch die remitierung wieder a bissi was reinzubekommen, nach dem motto: lieber kaum gewinn oder kleiner verlust, als ladenhüterstau riskieren).
Die praxis mit dem stempel ›mängelexemplar‹ ein vollkommen intaktes buch zu einem mängelexemplar zu machen ist ja ein kuriosum. Würde mich interessieren, ob derartige titel zur verkaufsstatistik gerechnet werden oder nicht. Ich hab ja gerüchte gehört, daß in manchen lagern auf ganze europaletten mit büchern eingeprügelt wird, damit die zu mängelexemplaren werden.
Zum netzwerken: wenn ich kohle und netzwerkgeschick hätte, wüßte ich 1000 bessere ideen, denn institute für gepflegte langeweile zu unterstützen.
Zu qualität/komplexität: mitnichten geht dies immer so hand in hand. Auch wenn es gegenteilige denkschulen gibt (die durchaus ihre guten perspektiven bieten), demnach die form/inhalt-dualität illusion ist, möchte ich anregen zu unterscheiden zwischen komplexität der form und komplexität des inhalts. Man kann orichdeen-nippes hochkomplex hermeneutisieren, und manche halten das dann für E-literatur (mein exempel: die romane von Handke, z.B. »Der Bildverlust«). Andererseits gibts auch arg spekatelträchtige reisser, die aber aufgrund ihres inhalts ganz schön herausfordernd sind (schönes beispiel sind die Robert Langdon-bücher von Dan Brown; auch hinsichtlich des öffentlichen und medialen diskurses, den sie zeitigen).
{Dies war jetzt nicht ganz so polemisch, u.a. weil ich meinen sozialneid grad im zaum hab.}
06.11.2006 um 15:33 Uhr
die junge literaturscene trifft sich beim slam2006 in münchen diese woche,bin auch da.
http://www.slam2006.de/
07.11.2006 um 11:02 Uhr
Oliver sagt: b) Ehm, Netzwerken hat immer schon gezählt, …
Da muss ich Oliver recht geben, aber als frustrierter, nicht-vernetzter ist das – egal in welchem Beruf – natuerlich frustierend. Obendrein in einem sogenannten ‚kreativen‘ in der sich die Muse doch hinter jedem unerwarteten Bart verstecken kann.
Und es geht ja auch anders: siehe Putlitzer Preis oder der o.g. Kärntner-Krimipreis 2006: Text ohne Namensangabe und Adresse im separaten Umschlag.
[hier spricht der schreiberling, dessen geschichten natuerlich auch nach Berlin gewandert sind…]