Montag, 16.01.2012 | 10:17 Uhr

Autor: Andreas Schröter

Irène Némirovsky: Meistererzählungen

Irène Némirovsky: »Meistererzählungen«Irène Némirovsky, eine russischstämmige Jüdin, die 1942 in Auschwitz ums Leben kam, wurde 2004 wiederentdeckt. Damals gaben ihre Töchter den fragmentarischen Roman „Suite française“ frei, der prompt zum Welterfolg wurde. In Deutschland kümmert sich der Knaus-Verlag seither liebevoll um die Werke der 1903 geborenen Autorin, die vor ihrer Verschleppung durch die Nazis in Paris lebte.

Neueste Veröffentlichung in dieser Reihe ist ein Band namens „Meistererzählungen“, in dem neun längere Geschichten Irène Némirovskys versammelt sind. Sie alle spielen in den unsicheren Zeiten zwischen und während der beiden großen Weltkriege. Der Hunger, der Tod und die Kälte sind allgegenwärtig, oft verlieren die Menschen ihr Hab und Gut. Hauptfiguren sind nicht selten Soldaten, aber auch hochgestellte Persönlichkeiten, die nicht glauben können, wie schnell sie dem Abgrund entgegentreiben. Das Buch eröffnet mit der Erzählung „Rausch“, die schon zu Lebzeiten der Autorin von den Kritikern hochgelobt wurde. Im finnischen Bürgerkrieg 1918 verstecken sich die Offiziere der einen Partei monatelang bei ihren Angehörigen, nur um dann in einer einzigen rauschhaften und weinseligen Nacht alle Vorsicht zu vergessen und sich noch einmal ins Leben – und nur wenige Stunden später – in den sicheren Tod zu stürzen.

Ein anderes großes Thema der Autorin sind heimliche Liebesaffären und ungestillte Sehnsüchte von nach außen hin in sich ruhenden Menschen. In der Geschichte „Sonntag“ beispielsweise ist es eine Frau, die genau weiß, dass ihr Gatte sie betrügt. Sie redet sich ein, mit der Ruhe und dem beschaulichen Leben, dass sie führt vollauf zufieden zu sein. Doch zwischen den Zeilen schimmert durch, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. In der starken Geschichte „Ein ehrbarer Mann“ zeigt die Autorin, wie aus einem gutmütigen Mann im Laufe seines Lebens durch Sturheit ein verbitterter und hasserfüllter Greis wird. Insgesamt sind die nie langweiligen und immer von starken Gefühlen durchzogenen Geschichten Irène Némirovskys auch – im Schnitt – 80 Jahre nach ihrer Entstehung höchst lesenswert.
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Irène Némirovsky: Meistererzählungen.
Knaus-Verlag, November 2011.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.

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