Freitag, 17.02.2006 | 10:17 Uhr
Autor: Oliver Gassner
Heute vor 150 Jahren starb der deutsche Dichter Heinrich Heine in seiner „Matratzengruft“ im selbst gewählten Pariser Exil.
von Karsten Redmann, Dipl.-Politologe und freier Journalist in Bremen
Der Blick aus dem Fenster auf die Avenue Matignon muss ihn viel Kraft gekostet haben, denn seine letzten Jahre waren Leidensjahre: Ein Nervenleiden „kettete“ den Dichter an sein Bett in Paris und raffte ihn nach acht langen Jahren des Siechtums am 17. Februar des Jahres 1856 dahin. Sein scharfzüngiges Werk ist geblieben.
Heute ist er einer der meistgelesenen Klassiker der deutschen Literatur und aus den Schulbüchern nicht mehr wegzudenken. Selbst Straßenschilder, Schulen und auch eine Universität tragen stolz den Namen dieses Poeten, der zu Lebzeiten ein gefürchteter Publizist und Schriftsteller war. Mit spitzer Feder kritisierte er die politischen Verhältnisse in Deutschland und war bekannt für seinen bissigen Spott. Zu einem ähnlichen Urteil kommt Deutschlands „Literaturpapst“ Marcel Reich-Ranicki: Heine habe sehr viel mehr Witz und Ironie besessen als Goethe und Schiller zusammengenommen.
In wohl keinem anderen literarischen Werk des 19. Jahrhunderts verbinden sich Ironie und Melancholie, Romantik und Realismus auf eine so gekonnte Weise wie bei Heine. Der Dichter brachte frischen Wind in die deutsche Sprache, so dass auch sein Zeitgenosse Friedrich Hebbel bemerkte: „Heine lässt die Weltkugel zwar nicht im hellen Sonnenschein auf der Fingerspitze tanzen wie Goethe, sondern er zerschlägt sie, aber er tut es nur, um den einzelnen Stücken dann den reinsten Schliff zu geben. Dabei kommt noch immer Lust und Leben heraus.“
Die eingängige aber stets gebrochene Lyrik (zum Beispiel in „Deutschland. Ein Wintermärchen“) oder die berühmten Reiseberichte – mit denen Heine quasi zum Vater der Reiseliteratur geworden ist – zeugen von einem wachen und kühnen Geist. Dieser hinterlässt auch im Universitätsstädtchen Göttingen seine literarischen Spuren. Berühmt ist sein Bericht über eine Reise durch den Harz, die ihn bis nach Weimar zu Johann Wolfgang Goethe, dem Dichterfürsten führte.
Mit einer genauen, gleichzeitig aber ironisch distanzierten Sprache zeichnet er die Reise nach und lässt das Göttingen von 1824 vor dem geistigen Auge des Lesers neu entstehen. Die erste Textfassung dieser Reise schrieb Heine innerhalb von nur vier Wochen zum Beginn des Semesters 1824/25. Sein Urteil ist eindeutig: „Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität, gehört dem Könige von Hannover, und enthält 999 Feuerstellen, diverse Kirchen, eine Entbindungsanstalt, (…) eine Bibliothek und einen Ratskeller, wo das Bier sehr gut ist. (…) Die Stadt selbst ist schön, und gefällt einem am besten, wenn man sie mit dem Rücken ansieht.“
Die Göttinger werden es ihm verzeihen. Im Geiste frei und unerschrocken zu sein, heißt auch manchmal ungerecht zu urteilen: Das ist Heine, eine Axt im Blätterwald.
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