Sonntag, 23.10.2011 | 14:52 Uhr
Autor: Andreas Schröter
Howard Jacobson, geboren 1942, versucht in seinem Buch „Die Finkler-Frage“ Antworten auf die Frage zu finden, was es heute eigentlich ausmacht, ein Jude zu sein.
Ist es die Religion, die Tradition oder eine besondere Lebenseinstellung? Ist es die Erinnerung an den Holocaust oder die Auseinandersetzungen mit den Palästinensern im Gaza-Streifen? Oder nichts von alledem?
Nicht-Jude Julian Treslove gelingt im Leben nicht allzuviel. Seine Karriere bei der BBC ist gescheitert, sämtliche Frauen haben ihn verlassen, und auch als Vater hat er versagt.
Als er überfallen wird, glaubt er, von dem Angreifer als Jude beschimpft zu werden. Perverserweise ist er darüber glücklich, fühlt er sich doch endlich irgendwo dazugehörig. Fortan versucht er, jüdischer zu werden als die Juden, mit denen er befreundet ist – und muss feststellen, dass die erstens gar nicht so erfreut auf den allzu geflissentlichen Möchtegern-Juden reagieren und ihm zweitens bei jeder Gelegenheit beweisen, dass er ihnen in echtem Judentum eben doch nicht das Wasser reichen kann. Aber auch bei seinen Kindern macht sich Treslove unbeliebt.
Howard Jacobson, der für diesen Roman in England 2010 mit dem begehrten Booker-Preis ausgezeichnet worden ist, gelingt ein zugleich überaus witziges wie tragisches Buch – eine Tragikomödie –, das mit Intelligenz und Lebensweisheit gespickt ist.
Neben dem Judentum geht es um Themen wie lebenslange Liebe zum selben Menschen, Sex, Tod, Männerfreundschaften und die Beziehung zu Kindern und Ex-Frauen, also um vieles, was einfach zum Leben – nicht nur von Juden – gehört.
Stimmig und glaubwürdig gezeichnet ist nicht nur Hauptfigur Julian Treslove, sondern auch die Menschen, mit denen er zu tun hat – wie seine Freunde Sam Finkler, ein angesehener Philosoph mit Hassliebe zu Israel, Libor Sevcik, ein altersweiser 90-Jähriger, oder Julians resolute Freundin.
„Die Finkler-Frage“ ist ein ausgesprochen kluges Buch, an dem jedoch vor allem die Leser ihre Freude haben dürften, die sich für das Judentum interessieren. Wer das nicht tut, wird sicherlich auf Längen stoßen, da dieses Thema letztlich sehr breit ausgewalzt wird.
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Howard Jacobson: Die Finkler-Frage.
DVA, September 2011.
448 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22.99 Euro.
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27.10.2011 um 11:07 Uhr
netter Artikel!