Samstag, 14.04.2012 | 00:53 Uhr
Autor: Immo Sennewald
Shakespeare hat im “Hamlet” eine unsterbliche Strategiedebatte erdichtet: „Sein oder nicht Sein“. Sie befasst sich – als Monolog – mit dem bewussten Teil der Entscheidung für oder gegen bestimmte Handlungen. Hamlet quält sich aber mit dem Unbewussten, mit widerstreitenden Gefühlen und der Suche nach einem Handlungsmuster, das diesen Konflikt lösen soll. Keine der in Frage kommenden bewussten Handlungen leistet das. Die emotionalen Konflikte, die ihm das Leben verleiden, entziehen sich jeglicher Planung; Ophelias Liebe vor allem passt nicht ins Kalkül.
Die einfache Lösung – der Geist seines ermordeten Vaters fordert sie ihm ab – wäre die gewaltsame Übernahme der Macht und die Bestrafung der Schuldigen: Hamlet müsste seine Mutter und ihren Geliebten töten. Aber sein kultivierter Verstand scheut die Bluttat, das atavistische Ritual, die Rache: „So macht Bewusstsein Feige aus uns allen“.
Die „Nicht- Entscheidung“ und das Narrenspiel, die Clownerie, die der Dänenprinz aufführt, um dem aufgezwungenen radikalen Machtkampf zu entgehen, die Weigerung, in das bereitliegende Kostüm zu schlüpfen und die Rolle des Rächers zu spielen, verschärfen nur den Argwohn seiner Gegenspieler.
Da Hamlet sich nicht entscheidet, entscheiden die anderen, die „Verhältnisse beginnen zu tanzen“, der Zauderer muss mit, unbewusst fällt er genau jene Entscheidungen, die zur Tragödie führen. Die Theaterspieler, Vorbilder heutiger Medien, sind nichts als blinde Werkzeuge der Rache, die jegliche Alternative zu den destruktiven Zyklen von Gewalt – Macht – Lust erstickt.
Theaterspieler von heute wollen – müssen – Geld verdienen wie alle anderen “Medienschaffenden”. Darum hüten sie sich – wie alle AnGestellten – die eigene Rolle zu befragen. Es gibt Ausnahmen. Sie leiden Not.
Shakespare schrieb aus der Not, ohne Wissen um die eigene Unsterblichkeit. Heutige Dichter möchten gern unsterblich werden, ohne Not, auch ohne Wissen um die Abgründe des eigenen Unbewussten. Sie blöken mit dem Schmierentheater werbefinanzierter Medien um die Wette.
Die Frage nach “Sein oder nicht Sein” haben sie mit Geld gelöst. Ihre Texte sind käuflich.
Tags: Clownerie, Entscheidung, gewalt, Hamlet, Liebe, Macht, Rache, Religion, Shakespeare
Mit flattr kann man Bloggern mit einem Klick Geld zukommen lassen. Infos
15.04.2012 um 10:58 Uhr
Was soll dies dem Leser sagen?
(Fehlt da noch ein Absatz?)
15.04.2012 um 12:12 Uhr
Der Text möchte vor allem zum Neu- und Wiederlesen etwa des „Hamlet“ ermuntern. Er und Seinesgleichen sind inzwischen gratis im Internet zu finden. Selbst- und Weiterdenken wird der Leser des Artikels nach Lust und Vermögen – was z.B die Frage nach der Haltung von Autoren, nach ihrem Verhältnis zu sozialen Konflikten der Zeit etc. anlangt – und er muss sich dabei der Meinung des Verfassers durchaus nicht anschließen.