Samstag, 22.10.2005 | 23:07 Uhr

Autor: andreaffm

Frau Kennedys künstliche Paradiese

Daß Autorengespräche auch lebendig, spannend und witzig geraten können, erlebe ich am Freitag um 12 Uhr 10 am 3Sat-Stand. Hier ist A.L. Kennedy, die gerade auf Lesereise über den Continent tourt, zu Gast und stellt ihren jüngst auf Deutsch erschienenen Roman „Paradies“ vor.

Paradies

Für ein gelungenes Autorengespräch benötigt man, meiner Beobachtung zufolge, zwei Komponenten: Erstens eine Moderatorin, in diesem Fall Gabriele Madeja, die sich gleich als Fan outet, das Buch auf Deutsch nicht abwarten konnte und schon auf Englisch gelesen hat, sich wirklich auf das Gespräch freut und, kurz, mit Herzblut bei der Sache ist.

Zweitens eine Autorin, die über eine gewisse Schlagfertigkeit bis loses Mundwerk verfügt, über trockenen Witz und Intelligenz und die weniger über Leere, dafür umso mehr über Abgründe schreibt. Dann passiert auch was in den Büchern und dann hat man auch was zum drüber reden.

Hannah Luckrafts Paradies ist nicht irdisch, es nicht die Familie, nicht der Beruf, nicht ein Sehnsuchtsland. Hannahs Paradies ist flüssig, bernsteinfarben und torfig und meist trinkt sie es aus Zahnputzbechern, weil sie viel unterwegs ist als Handelsvertreterin für Pappverpackungen. Auch das Paradies ihres Geliebten ist ein hochprozentiges, und so begeben sie sich zusammen dorthin, choreographieren ihre Abende in Whiskey und Wein und nicht selten setzt irgendwann die Erinnerung aus.

alkennedy

Zum Gespräch. Kennedy redet so schnell, daß ich mit Tippen nicht wirklich mitkomme. (Die Investition für die nächste Buchmesse ist dann wohl der Diktaphon-Aufsatz für den iPod.) Ich habe die Fragen und Antworten gekürzt und zusammengefaßt.

Zunächst mal gibt die Moderatorin zu, vom Titel leicht geschockt gewesen zu sein. It’s not a paradise I imagined for myself, sagt sie.

Kennedy sagt, it’s a british, a scotttish paradise. Das Trinken, ja, das können die Briten. Like us bringing freedom to the world (und das klingt sehr sarkastisch, wie sie das sagt). the protagonist is trying to bring freedom to herself.

Die Geschichte sei ja eine Liebesgeschichte. Ist es das, was sie auslotet, are you trying to write lovestories in all dimensions?

Not consciously. Es ist ja auch keine typische Liebesgeschichte im Hollywood-Style, das interessiere sie nicht. Sometimes there’s no reason for terrible things to happen. Hannah is in love with a dying person or she may be in love with the liquid he contains, she might feel it through the skin.

Nun zur Sprache des Buches, die Kennedy über 400 Seiten bravourös durchgehalten hat: You wrote it in some drunken sort of way, how do you work with the language? I read it in english, but Ingo Herzke did a really good job translating the book.

It might even work better in German, sagt Kennedy. I tried to make it musical, tried to make the rhythm work, what the protagonist is – if it’s a first person narrator or not. It’s great to listen to Ingo and hear the music preserved. It’s not the typical german translation, three times as long.

In Deutschland findet man ihre Bücher auf den Bestsellerlisten. Are you as well known and respected in England?

Kennedy gibt sich kulturpessimistisch. We don’t like our own culture. our culture is about cars and plactic surgery and about people whose plastic surgery went wrong. In germany it’s more about books.

You do not seem to be an alcoholic yourself, otherwise you would’nt make all that, the writing and the traveling?

If you’re in writing, the only thing you can allow yourself is rampant alcohol.

Now read a part, so we can see how you wrote about alcoholism.

Kennedy schlägt eine Seite auf. Ehm, she’s quite sober here. I don’t read in german, otherwise it would be massive cultural insult for you with my accent.

Und sie liest los, eine delirierend taumelnde Passage, in der Hannah über die Pappverpackungen philosophiert, mit denen sie ihren Lebensunterhalt bestreitet. Und es ist hart und witzig und bitter und klug. Und nun gehet auch ihr hin und lest A.L. Kennedy, und ihr werdet es nicht bereuen.
(Hier unten seht ihr alle bisher bei Wagenbach auf Deutsch erschienenen Bücher, don’t hesitate to click:)

Gleissendes Glück Alles was du brauchst Ein makelloser Mann Hat nichts zu tun mit Liebe Also bin ich froh Stierkampf Einladung zum Tanz

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